Der Zauber des Engels
in die Oper gegangen. Ich habe versucht, sie für meine Liebe zur Kirchenarchitektur und zur Glaskunst zu begeistern.
Ehe ich mich’s versah, war ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben verliebt. Und ich konnte mein Glück kaum fassen, als sie mir sagte, dass sie dasselbe empfände.
Unsere erste gemeinsame Zeit war wunderbar – voller Kunst und Musik und aufregender Entdeckungen. Wir dachten damals nicht an die Zukunft, wir wussten nur, dass wir zusammen sein wollten. Sie war eine sehr leidenschaftliche Person – impulsiv und lebendig. Aber sie hatte auch eine zerbrechliche Seite, die sich in Unsicherheiten zeigte. Ich war froh, ihr helfen zu können. Ich versuchte, stark und zuversichtlich zu sein, und war stolz, dass sie sich auf mich zu verlassen schien.
An Weihnachten, ein Jahr, nachdem wir uns kennengelernt hatten, haben wir geheiratet. Es war eine ganz schlichte Hochzeit in der Kirche ihrer Eltern in Ipswich. Ihre jüngere Schwester war Brautjungfer. Da meine Eltern beide tot waren, waren von meiner Seite nur Dads Tante Polly gekommen und der Musiker-Freund, der uns miteinander bekannt gemacht hatte. Wir zogen in die Wohnung über Minster Glass.
Anfangs waren wir unglaublich glücklich. Ich arbeitete den ganzen Tag im Laden, während sie bei ihren Proben war. Abends besuchte ich häufig ihre Konzerte. Sie hatte eine Stimme wie ein Engel. Angie – mein Engel. Irgendwann hat sie mir eine Krawattennadel mit einem Engel geschenkt; ein kleiner, in Gold gefasster Lapislazuli. Ich habe ihn noch immer …
»Daher stammt sie also«, stieß ich hervor und kramte in meiner Tasche nach der kleinen Anstecknadel, die ich in der Werkstatt auf dem Boden gefunden hatte.
»Ja, das ist sie.« Jeremy nahm sie mir aus der Hand und hielt sie so, dass sie im Kerzenlicht funkelte. »Er hatte sie immer bei sich.«
Er gab sie mir zurück und nahm den Brief wieder zur Hand.
In den nächsten Jahren ging es mit Angies Karriere steil bergauf. Sie bekam Engagements auf der ganzen Welt, dabei erwartete man damals noch von einer Ehefrau, dass der Mann ihr wichtiger ist als der Beruf. Trotzdem tat ich alles, um sie zu unterstützen. Wenn meine Arbeit es erlaubte, begleitete ich sie auf ihren Reisen. Leider war das nicht sehr oft möglich.
Zwei Jahre vergingen, und die ersten Unstimmigkeiten machten sich breit. Sie war so oft fort. Mit ihrer Abwesenheit hätte ich durchaus leben können; es war ihre Art, die mich immer mehr verletzte. Ich bekam mit, wie sie sich veränderte. Sie schien immer unzufriedener mit unserem gemeinsamen Leben zu sein und begann, sich zu beklagen. Die Wohnung gefiel ihr auf einmal nicht mehr. Ob wir nicht umziehen könnten, wollte sie wissen. Dabei bemühte sie sich gar nicht erst, es nett zu machen. Sie sagte immer, Hausarbeit und Kochen würden sie langweilen. Sie wollte ausgehen, in teuren Restaurants essen und Spaß haben, was mir wiederum nicht so lag. Außerdem konnte ich es mir nicht leisten, mochte es jedoch auch nicht, wenn sie zahlte. Dann sagte sie, sie brauche eine größere Wohnung, weil sie gern Leute einladen würde. Dabei waren ihre Musiker-Freunde sehr eigen, und ich fühlte mich oft ausgeschlossen, wenn wir mit ihnen zusammen waren.
Natürlich wünschte ich mir am Ende, ich hätte ihrem Wunsch nach einem Umzug entsprochen, selbst wenn ich jeden Penny hätte zusammenkratzen müssen. Aber wer von uns kann schon in die Zukunft schauen? Damals kam es mir vor, als würde sie nicht nur die Wohnung, sondern auch mich kritisieren, also habe ich mich beharrlich geweigert.
»Vielleicht hat sie es gar nicht so gemeint«, gab ich zu bedenken. »Vielleicht wollte sie nur, dass Dad auch an ihrem aufregenden Leben teilnimmt.« Dieser Brief war aus der Warte meines Vaters geschrieben, und ich verspürte das Bedürfnis, meine Mutter zu verteidigen. »Entschuldigung«, sagte ich. »Bitte, lesen Sie weiter.«
»Und dann«, las Jeremy, »stellte Angela fest, dass sie schwanger war.«
Wir waren völlig überrascht. Wir hatten natürlich darüber gesprochen, eine Familie zu gründen, und beschlossen, noch ein paar Jahre zu warten.
Deine Mutter war während der ganzen Schwangerschaft sehr unsicher. Sie machte sich Sorgen, wie sich ein Baby auf ihre Arbeit auswirken würde, denn sie würde nicht mehr so viel reisen können. Aber das war nicht alles. Sie hatte Angst um ihre Gesundheit, schlief nicht mehr gut und war davon überzeugt, dass Leute bei uns einbrachen, während wir im Bett lagen. Doch trotz
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