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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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häufiger aufgefallen, aber sie war noch nie dort gewesen. Es war feucht, düster und totenstill; die hohen Häuserreihen verdeckten die Sonne.
    Laura und Polly mussten vier Mal den Türklopfer betätigen, ehe sie schlurfende Schritte auf der Treppe hörten. Ein gebeugter alter Mann öffnete die Tür.
    »Mr. Murray?«, fragte Laura. Erleichterung erhellte das Gesicht des Mannes, als Laura sich vorstellte.
    »Passen Sie auf das Loch auf«, sagte er, als er sie nach oben führte. Sie hob ihre Röcke über die Stelle im Dielenboden, wo das Holz einen tiefen Riss bekommen hatte, den jemand nur notdürftig geflickt hatte. Dann gingen sie eine scheinbar endlose Holztreppe hinauf; Mr. Murray verharrte mehrmals kurz, um Luft zu holen. Vor einer Tür im zweiten Stock blieben sie schließlich stehen. Mr. Murray klopfte zweimal, und nach einem stöhnenden Laut von drinnen drückte er die Klinke herunter. Er ließ die beiden Damen eintreten und zog sich zurück.
    Im Zimmer gab es einen blanken Holzfußboden. Der Geruch von feuchten Kleidern und Naphtalin konnte den eines ungewaschenen menschlichen Körpers nicht überdecken. In einem einzelnen Bett gleich neben dem Kamin dämmerte eine zerbrechliche Gestalt unter einem Berg aus Decken und Mänteln. Ihr Atem ging rasselnd, dazwischen bekam sie grässliche Hustenanfälle.
    »Miss Badcoe, ich bin’s, Laura Brownlow. Mama hat mich geschickt … Es tut mir sehr leid, dass Sie so krank sind …« Lauras Stimme stockte, als sie Miss Badcoes verzweifelten Gesichtsausdruck sah. Die Miss Badcoe, die sie aus der Kirche kannte, war eine strenge Dame mit aufrechtem Gang, immer perfekt gekleidet, wenn auch ein wenig hinter der Mode. Ihre Stiefel waren stets poliert, die Handschuhe sauber, der Hut saß gerade.
    Wenn Laura der Frau je einen zweiten Gedanken gewidmet hatte, was sie vermutlich nie getan hatte, wie sie sich eingestehen musste, hätte sie nie vermutet, dass sie in einem solch kargen Zimmer wohnen würde. Es war kein richtig düsteres Loch, sondern … Laura sah sich um, während Polly der alten Dame half, sich aufzusetzen, und begann, das Bett für sie zu richten und die dünnen, lumpigen Kissen aufzuschütteln.
    Im Kamin lag kalte Asche, der Kohleeimer war leer. Immerhin gab es ein Waschbecken mit kaltem Wasser, wie Laura feststellte. Es befand sich neben dem einzigen Fenster, dessen Vorhänge halb geöffnet waren und einen Blick durch trübes Glas auf die düstere Rückansicht eines Hauses boten, das genauso aussah wie dieses.
    »Soll ich losgehen und neue Kohle kaufen, Miss?«, fragte Polly sie.
    Laura drückte ihr Geld für Kohle, Milch und Seife in die Hand. Dann fragte sie Miss Badcoe, welches Zimmer Mr. Murray bewohne, damit sie nachsehen konnte, ob es dort heißes Wasser gab. Es stellte sich heraus, dass er gleich nebenan zu erreichen war. Er versprach ihr, sofort welches zu kochen. »Ich mache ihr morgens immer Tee«, sagte er. »Aber ich komme ja selbst kaum noch zurecht. Ich tauge einfach nicht mehr für eine Dame, verzeihen Sie, Miss.« In seinen Augen blitzte es, und Laura zog sich erschrocken zurück. Wenige Minuten später kam er mit einem dampfenden Kessel zurück. Sie bat ihn, den Kessel neben den Kamin zu stellen, und drückte ihm ein paar Münzen in die Hand.
    Ihre Gedanken kreisten, während sie sich an die Arbeit machte, eine Kanne Tee kochte und die Lebensmittel auspackte, die Mrs. Jorkins ihr mitgegeben hatte. Sie goss warmes Wasser in eine Schüssel, fand ein altes Handtuch, einen winzigen Rest Seife und begann Gesicht und Hals der Kranken sanft abzuwaschen. Anschließend bürstete sie ihr das strähnige aschblonde Haar. Polly kehrte zurück, und schon bald knisterte ein Feuer im Kamin, dessen Rauch Miss Badcoe jedoch zum Husten brachte. Der Kamin musste dringend gefegt werden.
    Die ganze Zeit gingen Laura Gedanken über Miss Badcoe im Kopf herum: Miss Badcoe, die an jedem Sonntagsgottesdienst teilgenommen hatte. Miss Badcoe, die in der Kirche Messing poliert und Blumen arrangiert hatte. Miss Badcoe, die die Gebetskissen gemieden und sich immer direkt auf den nackten Steinboden gekniet hatte. Miss Badcoe, die Mrs. Fotheringtons Cousine war – »väterlicherseits«, wie Miss Badcoe gern betonte. Laura konnte sich nicht daran erinnern, die beiden Damen je zusammen gesehen zu haben. Sie dachte an Mrs. Fotherington, lebhaft, lautstark, mit festen Ansichten zu allem und jedem, und an ihr schönes Haus am Vincent Square. Mrs. Fotherington hatte ihr gesamtes

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