Der Zauber des Engels
dauern.«
»Es gibt noch etwas. Ich habe ein Tagebuch gefunden. Es scheint Reverend Brownlows Tochter Laura gehört zu haben.«
»Tatsächlich?«
»Darin sind Pläne für den Auftrag des Fensters erwähnt. Noch nichts wirklich Brauchbares, aber ich werde auf jeden Fall weiterlesen.«
»Klingt spannend. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, saß ich noch eine Weile da und dachte an Dad. Der Pfarrer hatte natürlich recht. Viele Menschen konnten sich nach einem Schlaganfall wieder sehr gut erholen, aber darüber hatte man im Krankenhaus bisher noch kein Wort verloren. Ich würde einfach weiter hoffen müssen. Und warten.
Am Ende vergaß ich ganz, Zac von meinem Fund zu berichten, zumal ich ihn an diesem Tag kaum sah. Er war erneut mit dem Lieferwagen unterwegs zu verschiedenen Kunden. Er musste nach Clapham, um dort ein Fenster in einem Privathaus zu begutachten, danach fuhr er ins nördliche London, wo er Material von der Glaswerkstatt eines Freundes abholte.
Ich verbrachte den Tag im Laden, erledigte ein paar Reparaturen und bediente zwischendurch Kunden. Ich öffnete die Post und überlegte, was ich mit den Rechnungen und den eingehenden Zahlungen machen sollte. Zac schaute sie kurz durch, als er zurückkam, dann brachte er die Tageseinnahmen und ein paar Schecks in ein Schließfach bei der Bank.
Später schloss er für mich ab, weil ich zu Dad ins Krankenhaus wollte. Dieses Mal erwachte er nur kurz, und ich erzählte ihm ein bisschen von meinem Tag. Ich wartete, bis er wieder einschlief, dann ging ich. Ich war froh, dass ich den Abend mit Jo verbringen konnte.
Um halb acht tauschte ich meine Jeans gegen eine schickere Hose und ein Jackett und machte mich auf den Weg zu der Tapas-Bar, die Jo für unser Treffen vorgeschlagen hatte.
Als ich am schwarz umzäunten Kirchengrundstück von St. Martin’s vorbeikam, sah ich einen Mann aus der Kirche treten und die Tür hinter sich zuziehen. Ich schaute genauer hin, registrierte den blonden Haarschopf. »Ben?«
»Hallo.« Überrascht drehte er sich um. »Fran, nicht wahr? Verdammt!« Er versuchte, einen großen Schlüsselbund aus seiner Tasche zu angeln, wobei einige der Notenblätter, die er unter dem Arm trug, auf die Erde segelten. Ich lief zu ihm, um ihm beim Aufheben zu helfen.
»Sind die für Sonntag?«, fragte ich, als ich die Titel einiger Kirchenlieder las.
»Ja. Vor der Probe des Kirchenchors am Freitag spiele ich die Stücke immer gern zu Hause durch«, erklärte er, »ich wohne gleich um die Ecke. Wo willst du denn hin? Du siehst so schick aus?«
»Irgendwo in die Victoria Street. Ich bin mit meiner Freundin Jo verabredet. Ich wusste gar nicht, dass du auch hier am Greycoat Square wohnst. Auf welcher Seite denn?«
»Ich zeig’s dir.« Wir blieben an der Ecke des Platzes stehen. »Nummer 61, das ist gleich da drüben auf der linken Seite. Ich könnte auch rasch in die Kirche gehen, um dort auf der Orgel zu üben, aber auf meinem eigenen Klavier ist es noch einfacher.«
»Verstehe.« Ich fragte mich, welches der viktorianischen Reihenhäuser wohl seins war.
»Lach jetzt nicht«, fuhr er fort, »aber manchmal kann ich morgens früh ab fünf Uhr nicht mehr schlafen, und dann finde ich es sehr beruhigend, Kirchenmusik zu spielen.«
»Das kann ich gut verstehen.« Ich stellte mir vor, wie seine langen Finger im silbrigen Morgenlicht über die Tasten flogen, und verspürte ein zartes Kribbeln. »Aber das bedeutet doch, dass die Nachbarn auch nicht schlafen, oder?«
Er lachte. »Zum Glück sind die Wände auf der einen Seite sehr dick. Und die alte Dame auf der anderen Seite ist fast taub. Wo wohnst du denn?«
»Siehst du den schwarz-silbrigen Laden da drüben an der Ecke neben dem orangefarbenen Café-Schild? Das ist Minster Glass . Ich wohne in der Wohnung direkt darüber. Natürlich nur, solange ich bei meinem Vater zu Besuch bin.«
Er runzelte die Stirn. »Ah, stimmt, Minster Glass. Jeremy hat mir von dem Fenster erzählt, das er gefunden hat. Seid ihr damit schon weitergekommen?«
»Eigentlich nicht sehr. Aber immerhin wissen wir jetzt, dass es sich um einen Engel handelt. Wir brauchen unbedingt irgendeine Abbildung, an der wir uns orientieren können.«
»Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das ist. Ein aussichtsloses Unterfangen, wenn du mich fragst.«
»Meinst du?« Ich war überrascht über die plötzliche Verbitterung in seiner Stimme.
»Es ist vierzig Jahre her, seit die Orgel das letzte Mal überholt
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