Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
Vom Netzwerk:
gelegen, mit einem knallroten Ausschlag, der sich wie Feuer auf seiner Haut ausgebreitet hatte. Das war nun acht Jahre her. Ihre Mutter hatte es nicht ertragen, in dem Haus zu bleiben, in dem er gestorben war, und ihr Vater hatte eine Versetzung beantragt. James Brownlow hatte gehofft, die seelischen Wunden seiner geliebten Theodora würden verheilen, wenn sie sich um ihre anderen Kinder kümmerte sowie um die geistig und körperlich verkümmerten Angehörigen ihrer neuen Pfarre. Vielleicht hätte es funktioniert, wenn nicht auch noch Caroline krank geworden wäre.
    Laura merkte, wie ihr eine Träne über die Wange rollte und auf Carolines Kissen tropfte. Im nächsten Augenblick hörte sie, dass es an der Haustür klingelte und Mrs. Jorkins rief: »Polly? Wo ist das Mädchen? Polly! « Die Tür wurde geöffnet, und dann vernahm man eine tiefe Männerstimme und Stiefelschritte. Mr. Bond war gekommen. Laura sprang auf und wischte sich die Augen mit dem Handrücken trocken. Sie zog die Bettdecke glatt, schloss die Tür leise hinter sich und lief nach unten.
    Anthony Bond, Dads Anwalt und Kirchenvorsteher, war ein fünfunddreißigjähriger Mann, nicht attraktiv, aber auch nicht hässlich, weder groß noch klein, weder dick noch dünn. Eigentlich konnte man ihn in jeder Hinsicht als durchschnittlich bezeichnen. Sein glattes braunes Haar und der Bart waren ordentlich geschnitten, seine Bewegungen weder besonders elegant noch ungeschickt. Er hatte nichts an sich, was die Aufmerksamkeit auf sich zog. Auf der Straße würde man ohne einen zweiten Blick an ihm vorbeigehen – was Laura häufig tat.
    Papa hatte ihn zum Mittagessen eingeladen, weil er und Bond vor einem Termin mit einem Architekten am Nachmittag noch einiges zu besprechen hatten. Laura tat es leid, dass der Besucher ein Fastenessen aufgetischt bekam, auch wenn Mrs. Jorkins als Konzession an den Besuch eine weiße Soße zum Fisch servierte und es Zwetschgenkompott zum Grießpudding gab.
    Als sie nach unten kam, stellte sie fest, dass Papa mit seinem Gast im Arbeitszimmer verschwunden war. Sie blieb einen Moment stehen und lauschte auf den Klang der Stimmen, die trotz des Geklappers aus der Küche zu ihr drangen.
    Die geschlossene Tür war ihr nur allzu vertraut. Seit Carolines Tod zog sich Papa immer häufiger in sein Arbeitszimmer zurück. Er schreibe an einer Geschichte über die Kirche von England, hatte er ihnen erzählt, aber einmal, als sie ihn zum Abendessen holen sollte, hatte sie ihn fest schlafend im Sessel erwischt. Sie hatte das Buch aufgehoben, das zu Boden gefallen war, und es umgedreht. Es war Kardinal Newmans Gedicht über eine Seelenreise, geöffnet an der Stelle, wo der Schutzengel eines Toten dessen Seele vors Jüngste Gericht begleitet. Sie las das Lied des Engels.
    Dieses Kind aus Ton
anvertraut war es mir
zu erziehen und zu geleiten
durch Sorgen und Schmerz
auf dem steinigen Pfad.
    Armer Papa! Sie sah zu, wie er schlief. Schmerz und Sorge gruben sich in tiefen Falten in sein Gesicht. Seit dem Verlust von Caroline wirkten ihre Eltern hinter der vorgespielten Tapferkeit so … so klein und zerbrechlich. Natürlich hatten sie noch ihre anderen Kinder, aber Tom hatte das Elternhaus bereits verlassen, würde bald die Priesterweihe erlangen und seinen eigenen »steinigen Pfad« beschreiten. Harriet war verheiratet, erwartete ihr erstes Kind und raufte sich die Haare über ihre geschwätzige Schwiegermutter. Nur sie, Laura, war noch übrig – »meine ungepflückte Rose«, wie ihr Vater sie manchmal liebevoll nannte. Vielleicht war es ihr vorbestimmt, niemals zu heiraten und für immer bei ihnen zu bleiben. Würde sie das stören? Ein bisschen vielleicht. Aber sie war erst zweiundzwanzig; es wäre schön zu erleben, wie sich die Liebe eines Mannes anfühlte.
    Beim Essen pflückten Mama und sie das Fleisch des Kabeljaus von der schmutzig schwarzen Haut, während Mr. Bond und Papa über Mr. Gladstones Vorstoß diskutierten, verheirateten Frauen mehr Rechte und mehr Eigentum zuzugestehen. Mr. Bond meldete durchaus einige Vorbehalte an, aber er dachte auch pragmatisch. Papa sorgte sich jedoch, dass eine größere Unabhängigkeit der Frauen das heilige Sakrament der Ehe, das Mann und Frau zu einem Fleisch vereinte, weiter schwächen würde.
    Mama stocherte in ihrem Essen herum, die beiden Falten auf ihrer Stirn wurden immer tiefer. Ob sie wieder ihre Kopfschmerzen bekommt?, fragte Laura sich besorgt. Der Kopfschmerz fesselte Theodora Brownlow meist für

Weitere Kostenlose Bücher