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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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weiblichen Figuren benutzt«, erklärte ich ihr. »Interessant, nicht wahr? Es war eine Italienerin. Sie hieß Antonia Caiva.« Die Gesichter stammten jedoch von verschiedenen Frauen aus Burne-Jones’ Bekanntenkreis. »Es ist ein bisschen so, als würde er sie in den Status von Engeln erheben, findest du nicht auch? Sieh mal, die da oben ist seine Tochter Margaret. Er hat sie vergöttert. Und das da ist Frances Graham, die er zu der Zeit angebetet hat, und das da May Morris, die Tochter von William Morris. In die waren alle verliebt: Ruskin, George Bernard Shaw und Stanley Baldwin.«
    »Wie wunderbar es sein muss, so schön zu sein und Menschen zu einer solch tiefen Liebe inspirieren zu können.« Jo seufzte, als wir weitergingen. Ich wollte gerade eine lockere Antwort geben, als ich sah, dass sie es ernst meinte.
    »Jo, das ist doch Unsinn. Du würdest Gefahr laufen, nichts anderes zu sein als ein Objekt der Begierde, eine Sache und keine Persönlichkeit. Ich glaube, May Morris fand diese Anhimmelei eher nervend. Sie soll eine sehr unzufriedene Person gewesen sein.«
    »Trotzdem finde ich es toll, wenn man so begehrt wird.«
    Jo klang plötzlich so frustriert, dass ich sie fragte: »Stimmt was nicht?«
    »Oh nein, es ist alles in Ordnung«, antwortete sie hastig. »Am besten, du hörst mir gar nicht zu. Mir ist gerade nur eine Verabredung geplatzt. Heute geht irgendwie alles schief. Und meine Eltern wollen offensichtlich auch nichts mehr mit mir zu tun haben.«
    Daraufhin lachten wir beide, und ich drückte ihr den Arm. »So wie du bist, bist du perfekt.«
    »Danke«, sagte sie. »Ich … ich bin bestimmt ein ganz nettes Mädchen. Aber ich wäre lieber ein bisschen hübscher. So wie du.« Sie lächelte traurig.
    »Jetzt werde ich aber langsam böse«, schimpfte ich. »Du bist absolut süß. Und ich finde überhaupt nicht, dass ich hübsch bin.«
    Sie lachte. »Hast du Lust, noch zum Mittagessen mitzukommen?«, fragte sie mich. »Meine Kollegin Effie hat angerufen, nachdem wir telefoniert hatten. Sie hat heute Nachmittag keine Hilfe, deshalb habe ich ihr versprochen, um drei zu ihr zu kommen, aber bis dahin …«
    »Ich wollte sowieso noch zu Dad«, sagte ich schnell. »Aber ein Mittagessen vorher wäre super.« Wir gingen unterwegs in einen kleinen Supermarkt, um ein paar Dinge einzukaufen.
    Die Wohnung von Jos Eltern lag im ersten Stock eines edwardianischen Mietshauses mit einem riesigen, mit Teppichboden ausgelegten Treppenhaus. Die Wohnung war noch genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte, opulent ausgestattet mit Mustertapeten und Brokatvorhängen, die zurückgebunden waren, um das bisschen Licht durchzulassen, das von der düsteren Straße hereinfiel.
    Wir aßen in der Küche mit Blick über einen öffentlichen Park, in dem zwei verschleierte Frauen auf einer Bank saßen und schwatzten. Drei kleine dunkeläugige Mädchen in weißen Kleidern spielten auf der Wiese.
    »Komisch«, meinte Jo und stellte mir eine Schale mit Salat hin, »aber ich hatte immer vor, spätestens dann Kinder zu haben, wenn ich dreißig bin. Im Moment ist das weit weg. Willst du mal Kinder haben, Fran?«
    Ich verzog das Gesicht. »Ich finde die Vorstellung eher beängstigend. Denk doch nur an meine schwierige Kindheit. Was, wenn ich auch alles falsch mache?«
    Jo legte die Gabel aus der Hand. »Aber dein Dad hat doch immer sein Bestes getan. Es ist nicht seine Schuld, dass deine Mom so früh gestorben ist.«
    »Nein, sicher nicht. Aber es ist seine Schuld, dass er alle Erinnerungen an sie ausgelöscht hat und mir nichts als … als eine Leere hinterlassen hat.« Ich dachte an mein gestriges Gespräch mit Zac. Seine Freundin Shona hatte mit ihrer Tochter genauso gehandelt. Sie hatte ihr den Vater vorenthalten.
    »Haben deine Eltern dir eigentlich je etwas über meine Mutter erzählt?«, fragte ich plötzlich. »Dad muss doch mal mit anderen Erwachsenen über sie gesprochen haben. Einmal habe ich mitbekommen, wie eine Lehrerin sich nach ihr erkundigt hat.«
    Jo, die gerade den Mund voll hatte, schüttelte langsam den Kopf. Als Kind hatte es mich immer erstaunt, wie viel Macht Erwachsene in Situationen hatten, in denen ich mich ziemlich hilflos gefühlt hatte. Ich erinnerte mich noch gut, wie schnell Dad meine erste Klavierlehrerin rausgeschmissen hatte, nachdem ich ihm erzählt hatte, dass die schreckliche Frau mir immer mit einem Lineal auf die Hand schlug, wenn ich eine falsche Note spielte. Ich hatte die Sache wochenlang mit mir

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