Der Zauber des Faun (Gay Romantic Fantasy) (German Edition)
Augen erkennen. Nicolas musste fast schmunzeln. Dann fiel ihm plötzlich wieder Caralinas Warnung ein: Jeder Baum, der fällt, verändert unsere Welt .
Ohne es zu bemerken, hatte er diesen Satz laut wiederholt. "Was sagt Ihr da?", fragte Prinz Radu erschrocken. Seine Augen blickten verwundert auf Nicolas.
"Ach, nichts... das habe ich irgendwo aufgeschnappt. Verzeiht mir, Prinz, ich wollte nicht anmaßend sein." Nicolas spürte, wie die Augen der vier Gesprächsteilnehmer auf ihm ruhten und wurde verlegen. Er kam sich hier sowieso deplatziert vor. Gräfin Adriana legte beruhigend ihre behandschuhte Hand auf seinen Arm. "Nur zu, junger Freund. Ihr braucht kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ihr sprecht wie Caralina. Das Kind hat den Wald geliebt und war immer glücklich dort."
Nicolas räusperte sich. "Seht Ihr, als Jäger liebe auch ich den Wald", begann er nach Worten suchend. Dabei dachte er an all die schönen Stunden, die er dort mit Angelo verbracht hatte. "Ich glaube, dass Ihr Recht habt, Gräfin. Dieser Wald ist voller Magie und wir sollten ihn schützen."
Ein eisiger Blick aus den dunklen Augen des Fürsten traf ihn, und er schwieg erschrocken. "Ich glaube, ich gehe jetzt besser. Wenn Ihr mich entschuldigen wollt, Fürst Valeriu." Er verneigte sich rasch vor dem Fürsten und dessen Sohn, dann wandte er sich rasch ab und ging schnurstracks durch die zweiflügelige Tür hinaus, die von zwei Dienern geöffnet und hinter ihm geschlossen wurde. Wohin jetzt? Er blickte sich um. In den Gängen flanierten die Gäste. Lachen und Musik ertönte hinter den Türen. Aus falschem Stolz wagte er es nicht, einen der Diener nach dem Ausgang zu fragen. Nicolas lief wie verstört durch die Burg und bereute es, heute hierhergekommen zu sein, doch Radu hatte es ihm ja sozusagen befohlen. Umso mehr reifte nunmehr in ihm der Entschluss, im Herbst mit Angelo dieses Land zu verlassen.
Endlose Treppen hinauf und hinunter. Schließlich hatte er sich vollends verirrt. Mittlerweile befand er sich in einem menschenleeren Labyrinth. Er sah sich in dem von Fackeln erleuchteten Gang um. Die edlen Gobelins mit den Jagdszenen erschienen plötzlich überaus lebendig. Die Göttin Diana war darauf abgebildet, ebenso wie Einhörner und eine Falkenjagd. Von dem Lachen der Gäste und der Musik war hier nichts mehr zu hören. Nicolas fröstelte. Wo, zum Teufel, befand er sich?
Scheinbar wie aus dem Nichts tauchte ein Mensch vor ihm auf. Dieser war von Kopf bis Fuß in einen schwarzen Umhang mit tief heruntergezogener Kapuze gehüllt. Zuerst schrak Nicolas zusammen, doch als der Unbekannte die Kapuze abnahm, erkannte er Prinz Radu. Er trug nun nicht mehr den prächtigen Ornat, sondern nur ein schwarzes Wams und darunter ein ebenso dunkles weites Hemd. Zusammen mit der schwarzen Hose und dem Umhang glich er einem Schatten und hätte sich überall verbergen können. War der junge Fürst ihm etwa gefolgt? Und wenn ja, aus welchem Grund?
"Tut mir leid, wenn ich Euch erschreckt habe. Die Vermummung gehört zu einem Gesellschaftsspiel im Tanzsaal", lächelte Radu und kam langsam näher. Sein dunkles Haar war streng zurück gekämmt, und das betonte die hohen, slawischen Wangenknochen. Ein grausamer Zug lag um die schmalen Lippen, dennoch wirkte sein Gesicht fast weich und mädchenhaft.
"Ich habe nur den Ausgang gesucht", murmelte Nicolas und wich vor dem Prinzen zurück, bis er mit dem Rücken zu den kalten Steinquadern der Wand stand.
"Ich dachte mir schon, dass Ihr Euch verlaufen würdet. Nun, da wir schon mal hier sind", sagte Radu leise. Er war jetzt so nahe, dass Nicolas seinen Atem auf seiner Wange spüren konnte. Die schwarzen Augen schienen ihn zu verschlingen. Radu sog den holzigen Geruch des Waldes ein, den Nicolas Haut verströmte. Er roch nach Sommerblumen und Moos. So ganz anders als alles, was er bisher kannte. Und erst das Gold seiner Haare...
Radus Lippen waren jetzt dicht an Nicolas Ohrmuschel. "Mein Vater will mich im Herbst mit einer Edelfrau aus dem fernen England verloben. Das wäre gut für das Geschäft, meint er, dabei habe ich sie noch nicht einmal gesehen. Ich lege auch keinen Wert darauf. Er weiß nichts von meiner Neigung, und wenn er es wüsste, so würde er es nicht billigen. Nur meine alte Amme wusste davon, Gott hab sie selig. Sag mir, Nicolas, willst du nicht einen Verdammten wie mich erlösen? Danach werde ich dich nicht mehr behelligen." Sein vertrauliches Flüstern glich einem Flehen.
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