Der Zauber einer Winternacht
sie eine lohnende Karriere aufgab, um in ein Leben zurückzukehren, das sie vor langer Zeit hinter sich gelassen hatte. Seltsamerweise war Gillian sich seit Bonnies Tod, der sie in quälende Selbstzweifel gestürzt hatte, keiner Entscheidung mehr so sicher gewesen wie dieser.
Sie würde sich von diesem aus dem Bauch heraus gefassten Entschluss durch nichts abbringen lassen, schon gar nicht von Vernunftgründen. Zu lange hatte sie seit jenem schrecklichen Tag nur auf ihren Verstand gehört, und was war dabei herausgekommen? Sie hatte verlernt zu leben.
Spontan lehnte Gillian sich über den Tisch und küsste ihren Vater auf die Wange. Dieser nahm sie dafür trotz seiner angeschlagenen Gesundheit so fest in den Arm, dass ihr fast die Rippen wehtaten. Sie wurde immer noch den leisen Verdacht nicht los, er habe seine gesundheitlichen Probleme hochgespielt, um sie wieder mit seinem Exschwiegersohn zusammenzubringen, an dem er so sehr hing.
Zu dumm, dass das nicht funktioniert hat.
Gillian konzentrierte sich wieder auf das Kartenspiel und lächelte fröhlich, als sie sah, was sie auf der Hand hatte. „Gin!“, rief sie.
John warf ihr einen gespielt verärgerten Blick zu und warf sein Blatt auf den Tisch. „Will ich eigentlich wirklich die Leitung der Ranch jemandem anvertrauen, der seinen eigenen Vater beim Kartenspiel betrügt?“
Seit Bryce die Bitte ihres Vaters, sein Imperium zu leiten, rundweg abgelehnt hatte, fragte Gillian sich, ob John ihr überhaupt zutraute, eine Ranch dieser Größe allein zu verwalten.
„Keine Ahnung“, erwiderte sie. „Willst du?“
Ihr Vater wurde nachdenklich und schwieg einen Moment. Dann sagte er: „Nur wenn du das auch wirklich willst, Gillian. Ich möchte nicht, dass du dein Leben aufgibst, um zu mir nach Hause zurückzukehren. Deine Mutter und ich hatten uns eigentlich etwas anderes für unser kleines Mädchen gewünscht, als dass sie sich für einen alten Narren wie mich aufopfert.“
Gillian lächelte, während sie versuchte, allen Anwesenden – sich selbst eingeschlossen – zu erklären, warum sie so und nicht anders entschieden hatte.
„Nicht alle Träume, die wir für unsere Kinder hegen, gehen in Erfüllung“, sagte sie mit einem Hauch von Wehmut.
„Und manche werden plötzlich wahr, wenn wir das am allerwenigsten erwarten“, fuhr sie fort. „Ich habe Bonnie von Herzen geliebt, aber ich glaube nicht, dass sie gewollt hätte, dass ich mich an einen extrem fordernden Job binde und in einer leeren Wohnung einigele. Ja, ich gebe zu, ich habe gezögert, nach Hause zu kommen. Aber das war die klügste Entscheidung, die ich seit Bonnies Tod getroffen habe. Dadurch ist mir wieder bewusst geworden, wie wichtig es ist, uns um die Menschen zu kümmern, die wir lieben, solange wir Gelegenheit dazu haben.“
Durch einen Tränenschleier hindurch schaute sie Bryce an. Hoffentlich verstand er, wie sehr sie all das bedauerte, was sie selbst zum Scheitern ihrer Beziehung beigetragen hatte.
Ihre Erklärung stellte zumindest ihren Vater offenbar zufrieden. „Es tut gut zu wissen, dass es jemanden gibt, der mich nicht nur wegen meines Geldes liebt“, sagte er.
Gillian senkte rasch den Blick. Sie konnte ihrem Vater nicht in die Augen sehen, so sehr schämte sie sich für das Verhalten ihrer Schwestern. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass es ihr mit der Zeit gelingen würde, die Familie neu zu einen.
An Bryce gerichtet, fügte John hinzu: „Je reicher man wird, desto mehr bedeutet einem diese Tatsache.“
Dann stand er auf, wünschte ihnen eine gute Nacht und schlurfte bedächtig aus dem Zimmer. Er stützte sich auf dem ganzen Weg an der Wand ab.
In der Ferne heulte ein einsamer Kojote, und die Berge warfen das Echo von drei Seiten auf die Ranch zurück. Das Heulen ließ in Bryce ein überraschendes Gefühl von Panik aufkommen. Ihm war ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken, Gillian und ihren Vater hier allein zu lassen. Da er nicht der Typ war, der sich von Grübeleien lähmen ließ, sprang er ungeduldig auf. Wenn es doch nur eine einfache Lösung aller Probleme gäbe!
„Ich reise morgen in aller Frühe ab. Die Angelegenheiten deines Vaters sind geregelt, und du hast beschlossen, die Verantwortung für die Ranch zu übernehmen. Es gibt also keinen Grund für mich, noch länger zu bleiben.“
„Es gibt auch keinen Grund zur Eile“, wandte Gillian ein.
„Doch, den gibt es: Ich will morgen spätestens um Mitternacht zu Hause sein. Außerdem habe ich Robbie
Weitere Kostenlose Bücher