Der Zauber einer Winternacht
jemanden opfern möchtest, der sein eigenes Leben schon fast hinter sich hat“, ergänzte John, sichtlich bewegt von der uneigennützigen Entscheidung seiner jüngsten Tochter. „Du kannst dir nicht vorstellen, was dein Angebot mir bedeutet, aber Bryce hat recht: Von einem allein ist das zu viel verlangt.“
Diese Worte beschämten Bryce. Er enttäuschte den alten Mann nur äußerst ungern. Und obwohl er plante, nach dem Verkauf seiner Firma eine lange, wohlverdiente Auszeit zu nehmen, konnte er nicht leugnen, dass der Gedanke daran, Moon Cussers in ein ganz besonderes Unternehmen umzuwandeln, etwas Verlockendes hatte.
Jedesmal wenn er Gillian ansah, musste er an den gestrigen Abend denken. Er hatte sie nicht verletzen wollen, aber trotz ihres tapferen Lächelns konnte er deutlich sehen, wie schwer sie getroffen hatte, was er John gesagt hatte.
„Glaubt bitte nicht, dass ich irgendetwas aufgebe, was ich nicht aufgeben möchte“, versicherte Gillian jetzt. „Der Reiz einer Vollzeitkarriere ist für mich längst verblasst, und hier bietet sich mir die Chance, etwas Sinnvolles mit meinem Leben anzufangen: dort zu sein, wo ich am dringendsten gebraucht werde.“
Sie wandte sich ihrem Vater zu.
„Es gibt keinen Ort auf dieser Erde, an dem ich lieber wäre als hier bei dir, Dad. Wenn du akzeptierst, dass ich dir allein – ohne Bryce – helfe und die Ranch bewirtschafte, dann werde ich gleich nach meiner Rückkehr nach Cheyenne alles Notwendige in die Wege leiten. Aber vorher musst du mir versprechen, dass du dich nicht in meine Entscheidungen einmischen wirst.“
„Versprochen“, stimmte ihr Vater zu. Tränen schwammen in seinen Augen, als er sie in seine Arme schloss.
Bryce hatte den alten Mann noch nie weinen sehen. Eben hatte Gillian ihm noch leidgetan, aber jetzt beneidete er sie. Wieder einmal fühlte er sich als Außenstehender. Dass er schon bald sehr reich sein würde, verlor an Bedeutung, verglichen mit der Liebe, die Gillian und ihren Vater verband. Es hatte ihm Genugtuung bereitet, den beiden Schwestern, die seine Ehe ruiniert hatten, zu eröffnen, wie erfolgreich er war, aber der Triumph schmeckte schal.
„Das ist einfach nur großartig“, rief Rose und beeilte sich, Vater und Schwester ebenfalls zu umarmen.
Bryce beobachtete skeptisch, wie Stella sich ihr anschloss. Solange ihr Erbteil nicht gefährdet war, war es den beiden seines Erachtens völlig egal, was für ein Opfer Gillian zu ihren Gunsten brachte. Wenn er erst aus dem Haus und aus dem Weg war, würden sie vermutlich wieder versuchen, ihrer süßen kleinen Schwester ihren Willen aufzuzwingen.
Er war sich allerdings nicht sicher, ob sie damit Erfolg haben würden. Gillian war nicht mehr das naive kleine Mädchen, das er einst geheiratet hatte. Sie ließ sich nicht mehr so leicht manipulieren, wie Stella und Rose das von früher her gewohnt waren.
Als Bryce endlich seine Stimme wiederfand, klang sie belegt. „Ich werde morgen in aller Frühe abreisen. Du sollst aber nicht denken, dass ich dich alleinlasse, John. Du brauchst mich nur anzurufen, und ich bin für dich da. Solange du willst, dass ich mich mit um deine Angelegenheiten kümmere, werde ich das auch tun.“
Stellas Reaktion überraschte ihn. Er hätte erwartet, dass sie an seinen Worten Anstoß nehmen würde. Stattdessen bot sie einen Waffenstillstand an.
„Da jetzt alles geklärt ist, schlage ich vor: Lasst uns ein richtig schönes gemütliches, altmodisches Weihnachtsfest feiern. So wie früher, als Mom noch lebte. Rose und ich haben so viele Geschenke mitgebracht, wie wir auf dem Motorschlitten transportieren konnten.“
Rose klang ein wenig verträumt, als sie hinzufügte: „Ein Festessen, so wie Mom es immer zu Weihnachten zubereitet hat …“
„Truthahn mit allem, was dazugehört“, ergänzte Stella.
„Mit Kürbis- und Pekannusskuchen zum Dessert“, fügte Rose eifrig hinzu.
„Und frischer Schlagsahne …“
Während sie in Erinnerungen schwelgten, fiel Bryce auf, was er selbst alles in seiner Kindheit vermisst hatte. Die Kreuzfahrt, die er seinen Eltern zu Weihnachten spendiert hatte, konnte nicht ausgleichen, wie trostlos er die Feiertage als Kind erlebt hatte. Wie enttäuscht er war, wenn der Weihnachtsmann wieder einmal nur Socken, Unterwäsche und Jeans brachte statt des neuen Fahrrades, das er sich so sehr gewünscht hatte.
Obwohl sie sich hin und wieder besuchten, würden er und seine Eltern nie eine so liebevolle Familie sein wie die Barons,
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