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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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aufzuspielen.
    Ein kräftiger, rotgesichtiger Blonder, der aussah, als käme er geradewegs von einer Farm, konnte es nicht lassen, immer wieder abfällige Bemerkungen darüber zu machen, wie müde und elend die Tommys aussahen. »Was ist mit denen bloß los?«, fragte er. »Die tun ja so, als hätten sie den Krieg schon verloren. Und dann sind sie echt zynisch! Wenn man sie was fragt, heißt es: ›Das wirst du schon noch merken, Kumpel.‹ Die Franzmänner sind noch schlimmer. Die meisten von ihnen sehen in ihren dreckigen Uniformen wie Landstreicher aus und rasieren sich nicht mal mehr. Wie Soldaten schauen sie jedenfalls nicht aus.«
    »Sie sind am Ende, weil sie systematisch aufgerieben wordensind«, gab Belle scharf zurück. »Sie wollen nicht darüber reden, wie es an der Front ist, weil fast jeder von ihnen da draußen Freunde hat sterben sehen. Sie hatten schlechtes Essen und kaum Ruhepausen; sie essen, schlafen und leben unter unvorstellbaren Bedingungen, und die meisten von ihnen haben noch keinen Tag Urlaub gehabt, seit sie hier sind. Aber an ihrem Mut ist nicht zu zweifeln. Sie sind sofort bereit, wenn sie aus den Gräben stürmen müssen, und beweisen wahren Löwenmut. Und dass sie sich nicht rasieren … glauben Sie bloß nicht, dass Ihre schicken Uniformen und akkuraten Frisuren Ihnen helfen werden! Worauf es an der Front ankommt, ist Mumm, schnell und zielsicher zu schießen und möglichst rasch in einen Bombentrichter abzutauchen, wenn man verwundet ist, weil man sonst da draußen krepiert!«
    Der junge Mann war sichtlich bestürzt, dass eine junge Frau so hitzig reagierte. »Tja, das habe ich wohl verdient«, murmelte er betreten. »Ich schätze, der Anblick war für uns so was wie ein Schock.«
    »Das glaube ich gern«, erwiderte sie. »Ich hoffe, Sie und Ihr Freund schaffen es, wieder nach Hause zu kommen. In England gibt es kaum eine Frau, die nicht um einen Ehemann, Sohn oder Bruder Tränen vergossen hat. Heute sehen Sie diejenigen, die ein bisschen mehr Glück gehabt haben. Sie sind verstümmelt und gebrochen, aber wenigstens am Leben. Sie alle waren genauso tatendurstig wie Sie, als sie hier ankamen, und ganz wild darauf, für König und Vaterland zu kämpfen. Jetzt werden die meisten zugeben, dass der Krieg das Scheußlichste und Grausamste ist, was sie je erlebt haben, und sie noch jahrelang Albträume haben werden.«
    »Mensch, Belle!«, rief David, als sie wieder im Wagen saßen. »Denen hast du’s aber gegeben!«
    Belle wurde rot. »Sie hatten es verdient. Für wen halten die sich eigentlich, für eine Art Gottesgabe?«
    »Sieht dir gar nicht ähnlich, so kratzbürstig zu sein. Vielleicht solltest du wirklich nach Hause fahren.«
    Mit der Behauptung, nach England zurückkehren zu wollen, hatte Belle ihn nur davon abhalten wollen, sie weiter zu fragen, warum sie so geistesabwesend wirkte. Aber in den darauffolgenden Tagen ertappte sie sich immer wieder bei dem Gedanken, dass es vielleicht die beste Lösung für ihre Probleme wäre.
    Es kam ihr nicht richtig vor, hier in Frankreich zu sein, den beiden Männern, zwischen denen sie sich hin- und hergerissen fühlte, so nah. Es war sogar möglich, dass Etienne und Jimmy nicht weit voneinander entfernt waren, auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich zu sein schien. Zwar standen beide bei Ypern, doch die Frontlinie erstreckte sich über viele Kilometer und war mit Zigtausenden Soldaten bestückt. Aber darauf kam es nicht an. Sie waren dort, und sie war hier. Und sie hatte das Gefühl, zu beiden Distanz zu brauchen.
    Etienne würde mit Sicherheit wieder hier auftauchen. Er war nicht der Typ, der sich darum scherte, ob er die Erlaubnis bekam, sich von der Truppe zu entfernen; er hatte sein Leben lang Regeln umgangen und sich einzig auf seinen Verstand verlassen. Doch wenn sie nicht hier war, konnte sie auch nicht in Versuchung kommen. Daheim, wo das Leben mit Mog und Garth in geordneten Bahnen verlief, würde sie wieder imstande sein, klar zu denken und diesen Wahnsinn zu vergessen.
    Denn es war Wahnsinn. Wie konnte sie auch nur in Erwägung ziehen, Jimmy zu verlassen? Er war genau der Typ Ehemann, von dem jede Frau träumte. Was wusste sie im Grunde schon von Etienne? Zugegeben, er hatte sie damals in Paris gerettet, doch als sie ihn kennengelernt hatte, war er nichts anderes als ein angeheuerter Schläger gewesen.
    Im kalten Tageslicht sah so vieles anders aus. Wenn der Krieg erst einmal vorbei und Jimmy wieder zu Hause war, würde sie gewiss

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