Der Zauber eines fruehen Morgens
feststellen, dass er der Mann war, den sie wollte. Vielleicht hatte Vera recht, und die Affäre mit Etienne war nur eine Kurzschlussreaktion gewesen, ausgelöst durch Mirandas Tod.
Aber falls sie Etienne nach Kriegsende immer noch wollte,konnte sie Jimmy wenigstens den Schmerz über ihre Untreue ersparen. Sie würde einfach sagen, dass sie ihn nicht mehr liebte, und ihn verlassen. Er brauchte nie die Wahrheit zu erfahren.
In den folgenden Tagen ging Belle ihrer Arbeit mit gewohntem Pflichteifer nach. Wie immer suchte sie am frühen Abend die Krankenstationen auf, um den Männern, die ihr Augenlicht verloren hatten, vorzulesen oder für diejenigen Briefe zu schreiben, die selbst nicht dazu in der Lage waren. Später saßen Vera und sie bei einem Becher Kakao zusammen und unterhielten sich. Belle wollte nicht über ihr Dilemma sprechen.
Also redeten sie über Patienten, die sie kannten und gernhatten, über die anderen Fahrer und ihr Leben daheim. Belle hörte liebend gern etwas über Neuseeland, und Vera besaß die Gabe, mit Worten Bilder heraufzubeschwören. Belle sah ihr Heim fast vor sich: ein weiß gestrichenes Holzhaus mit Ladenfront dicht an der See, wo ihre Eltern hinten in der Bäckerei Brot und Kuchen backten. Sie konnte sich die Hitze der Backöfen vorstellen, den Duft von frischem Brot und die kleine Dachstube mit Blick aufs Meer, in der Vera wohnte.
»Meine Brüder hatten das Zimmer, das nach hinten rausgeht, und manchmal sind sie nachts aus dem Fenster gestiegen und über das Dach der Bäckerei nach unten geklettert, um sich heimlich mit ihren Freunden zu treffen«, erzählte Vera. »Sie sind immer aufgeflogen, weil irgendjemand Ma am nächsten Tag prompt erzählte, die beiden gesehen zu haben. Ich habe nie verstanden, warum sie das machen. In Russel ist absolut nichts los, außer dass sich die Männer manchmal im Pub betrinken. Aber damals waren Spud und Tony noch zu jung, um dort hinzugehen.«
Ihre Brüder waren irgendwo hier in Frankreich stationiert. Vera bekam nie mehr als die üblichen Feldpostkarten von ihnen, aus denen sie nur wenig erfuhr. Vera war froh, dass die beiden als Techniker arbeiteten, Telefonleitungen legten und Tunnel bauten und andere Arbeiten verrichteten, die für die Armee sehr wichtig waren. Belle wusste allerdings, dass diese Arbeiten genauso gefährlich seinkonnten, weil die Telefonleitungen direkt entlang der Front verliefen und ständig repariert werden mussten.
Es war drei Wochen nach ihrer Nacht mit Etienne. Belle hatte beschlossen, nach Hause zu fahren, und teilte es Vera mit, weil sie fand, dass ihre Freundin es als Erste wissen sollte. »Ich muss weg«, sagte sie. »Ich weiß, dass es nicht richtig ist, Jimmy zu betrügen, doch wenn ich bleibe, kommt Etienne bestimmt wieder, und ich bin nicht sicher, ob ich dann nicht wieder schwach werde.«
Veras Gesicht legte sich in Kummerfalten. »Ich will nicht, dass du gehst! Du wirst mir schrecklich fehlen.«
Belle war gerührt. Sie dachte daran, was für eine Stütze Vera ihr in den vergangenen Wochen gewesen war. »Willst du nicht mitkommen? Ich könnte dir London zeigen, und vielleicht finden wir einen gemeinsamen Arbeitsplatz. Mog würde sich unheimlich freuen, wenn du bei uns wohnst, und ich auch.«
Veras Gesicht verdüsterte sich. »Ich wünschte, das könnte ich«, seufzte sie. »Aber ohne Miranda und vielleicht ohne dich wird es für die Fahrer sehr hart, wenn die nächste Angriffswelle kommt. Außerdem ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, nicht hier zu sein, wenn mich meine Brüder vielleicht brauchen. Sie halten sich für groß und stark, doch für mich sind sie immer noch meine kleinen Brüder.«
»Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll«, gestand Belle verzweifelt. »Ich denke ständig an Etienne. Er geht mir von morgens bis abends nicht mehr aus dem Kopf. Hier erinnert mich alles an ihn. Ich muss versuchen, meine Ehe zu retten, und zu Hause stehen meine Chancen wesentlich besser.«
Vera nickte. »Dann solltest du wirklich heimfahren, Belle. Ich bin in solchen Dingen keine Expertin, weil ich noch nie verliebt war, deshalb ist meine Meinung wahrscheinlich nicht viel wert. Doch nach allem, was du über Jimmy erzählt hast, scheint er ein wirklich guter Mensch zu sein, und bevor Etienne aufgetaucht ist, warst du glücklich mit ihm. Wenn du erst wieder daheim bist, kommt bestimmt alles in Ordnung. Aber versprich mir, mit mir in Verbindung zu bleiben! Ich will dich nicht verlieren.«
Belle hatte
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