Der Zauber eines fruehen Morgens
Freund aus seinem Regiment. Er schrieb ihm, dass sein Retter ein Sergeant Carrera war. Er erhielt das Croix de Guerre , weil er im Alleingang ein MG-Nest stürmte und den Heldentod starb.«
»Er ist tot?«, keuchte Noah. »Oh nein! Er auch?«
»Ich fürchte, ja. Wegen des Ordens haben sie alle Einzelheiten erfahren.«
Noah runzelte die Stirn. »Bist du sicher, dass es Etienne war, nicht irgendein anderer mit demselben Nachnamen?«
»Jimmys Freund schrieb, es sei ein Mann, den sie schon einmal getroffen hatten, 1916 bei Verdun. Jimmy beschrieb ihn mir und erzählte mir, worüber sie geredet hatten, und da wusste ich, dass es Etienne war. Außerdem ist es so typisch für ihn, einen Befehl zu missachten, um Jimmy in Sicherheit zu bringen. Außerdem hat Jimmy immer behauptet, dass ihn der Mann mit seinem Namen angeredet hatte.«
Noah bekam feuchte Augen. Sie wusste, wie sehr er Etienne geschätzt und bewundert hatte. Und für sie war es eine Erleichterung, mit jemandem über den Mann zu reden, dem er viel bedeutet hatte.
»Hat Jimmy dir denn nicht erzählt, dass er Etienne bei Verdun kennengelernt hatte?«, wunderte sich Noah.
»Nein, er kannte den Namen des französischen Sergeanten nicht.Aber offensichtlich kannte Etienne seinen. Jimmy sagte, dass er ihn gefragt hat, wo er in London lebt und so.«
»Etienne hat sich nie in die Karten blicken lassen. Am Anfang des Krieges habe ich ein paar Briefe von ihm bekommen«, sagte Noah. »Ich war erstaunt, dass er Verdun überlebt hatte. Dort sind nicht viele Franzosen mit dem Leben davongekommen. Wir reden die ganze Zeit über die Verluste auf britischer Seite, doch die der Franzosen sind noch höher. Ein Viertel ihrer Armee wurde ausgelöscht. Aber ich dachte, Etienne wäre unverwundbar. Ist natürlich Unsinn, kein Mensch ist das.«
»Ich habe es auch geglaubt, Noah«, sagte sie und legte eine Hand auf seinen Arm. »Schau, ich habe es Jimmy oder Mog nie gestanden, doch ich habe Etienne in Frankreich gesehen. Er hat mich im Lazarett besucht.«
Sie berichtete kurz, wie es dazu gekommen war. »Er hat mir erzählt, dass er dich als nächsten Angehörigen angeben wollte. Es könnte ihm natürlich entfallen sein, aber werden Soldaten vor einer großen Schlacht nicht daran erinnert?«
»Ja. Auch wenn sie nicht mehr besitzen als eine Uhr oder ein Paar überzählige Socken, ermahnt ihr Vorgesetzter sie, alles genau aufzuschreiben. Falls Etienne der Aufforderung gefolgt ist, hätte ich über seinen Tod informiert werden müssen.«
Belle überlegte kurz. »Na ja, wahrscheinlich sind die Franzosen nicht so gut organisiert wie wir. Bei so vielen Todesfällen muss es schwer sein, auf dem Laufenden zu bleiben. Und vielleicht ist die Information nicht an jemanden weitergegeben worden, der Englisch sprach.«
Noah nickte. »Ja, das könnte die Sache verzögern. In seinem letzten Brief – das war im April, glaube ich – hat er geschrieben, er hoffe, dass ich ihn nach dem Krieg mit Lisette und den Kindern in Marseille besuchen komme. Er wollte uns seinen Hof zeigen. Eigentlich konnte ich ihn mir nie mit Hühnern und Schweinen vorstellen. Aber Etienne steckte immer voller Überraschungen. Warum hat er bloß mich als nächsten Angehörigen angegeben?Er wollte mir doch nicht etwa seinen Hof vermachen? Schließlich wusste er, dass ich keinen Schimmer von Ackerbau und Viehzucht habe.«
Belle schwieg einen Moment nachdenklich. Sollte Noah tatsächlich verständigt werden, würde er sich noch mehr darüber wundern, dass sie Etienne beerben sollte.
»Ich glaube, er hatte vor, alles mir zu vermachen«, sagte sie.
Noah starrte sie einen Moment an und runzelte die Stirn. »Warum sollte er das tun, Belle? Hätte Jimmy das nicht eigenartig gefunden? Oder sogar verdächtig?«
»Ja, wahrscheinlich.« Belle spürte, wie ihr unter Noahs forschendem Blick heiß wurde. »Aber Etienne hat gemeint, dass du der Einzige bist, dem er in dieser Sache vertrauen kann, und Jimmy bestimmt erklären könntest, dass daran nichts seltsam oder befremdlich ist, weil er doch in Paris mein Freund und Retter war.«
»Etienne hat vielleicht so gedacht, aber ich glaube kaum, dass Jimmy seiner Meinung gewesen wäre«, wandte Noah versonnen ein. »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich selbst es nicht befremdlich finden würde. Immerhin erinnere ich mich noch ganz gut, was du damals, als wir Paris verließen, für Etienne empfunden hast. Und ich hatte den Verdacht, dass deine Gefühle durchaus erwidert wurden. Wie
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