Der Zauber eines fruehen Morgens
Unterstützung für die Überfahrt«, sagte Vera. »Was haben Sie schon zu verlieren, Mog? Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie jederzeit nach England zurückkehren.«
»Wenn alle Neuseeländer so nett sind wie Sie, würde ich das gar nicht wollen«, antwortete Mog. »Aber was ist mit meinen Möbeln? Ich habe ein paar Sachen, von denen ich mich nicht trennen möchte.«
Die Frage verriet Belle, dass Mog Gefallen an der Idee fand. Sie grinste Vera an, die sofort anfing, Mog noch mehr über ihre Heimat zu erzählen.
Sie saßen zwei Stunden lang im Lyons und redeten über alles Mögliche: über das Klima in Neuseeland, über die Kleidung, die sie brauchen würden, und über die Menschen und ihre Eigenheiten. Erst als die Kellnerin sie fragte, ob sie vielleicht in einem der anderen Restaurants zu Abend essen wollten, fiel ihnen auf, wie rasch die Zeit verflogen war.
»Wir sollten mit Noah darüber reden«, meinte Mog, als sie bezahlte. »Er wird besser als wir wissen, wie wir das anstellen müssen.«
»Dann bist du also grundsätzlich einverstanden?«, fragte Belle, als sie gingen, und hängte sich bei Mog ein.
»Na ja, es klingt wesentlich aufregender als Tunbridge Wells«, sagte Mog. »Ich wollte immer schon mal eine lange Seereise unternehmen.«
»Ich glaube nicht, dass ihr eine Passage bekommt, bevor der Krieg zu Ende ist«, wandte Vera ein. »Es besteht immer noch die Gefahr, bombardiert oder torpediert zu werden. Ich fahre mit einem Truppentransport zurück und helfe auf der Überfahrt bei der Betreuung der Verwundeten. Aber es heißt, dass es jeden Tag zum Waffenstillstand kommen kann.«
Belle und Mog hatten in Brighton dasselbe gehört. Doch da seit vier Jahren behauptet wurde, dass der Krieg bis Weihnachten zu Ende wäre, wollten sie ihre Hoffnungen nicht zu hoch schrauben, ehe es eine offizielle Bekanntmachung gab.
»Wir können nirgendwohin, bis unsere Angelegenheiten alle geregelt sind«, überlegte Mog laut. »Aber was für eine tolle Aussicht!«
Als Mog an diesem Abend zu Bett ging, redeten Vera und Belle noch eine ganze Weile über ihre neuen Pläne.
»Ich kann kaum glauben, dass Mog so begeistert ist«, sagte Belle.
»Ich nehme an, der Abstecher nach Seven Dials war der Auslöser«, meinte Vera nachdenklich. »Mir ist aufgefallen, wie bestürzt sie manchmal aussah, als hätte sie Angst, wieder dort zu landen.«
Belle nickte. »Mag sein. Wenn das Gasthaus verkauft ist, wird Mog zum ersten Mal im Leben im Besitz einer größeren Summe sein, und ihr ist klar, dass sie verantwortungsbewusst damit umgehen muss. Vielleicht glaubt sie, dass sie mit dem Geld in Neuseeland weiter kommt als hier. Stimmt das?«
»Sehr viel weiter, wenn du mich fragst«, antwortete Vera. »Mein Vater ist anscheinend der Meinung, dass es nach dem Krieg mit Neuseeland steil bergauf geht. Natürlich nicht sofort, aber innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre. Russell ist winzig, Belle, und es hat eine anrüchige Vergangenheit, doch die Geschichte der Stadt macht sie für Besucher interessant. Und man hat natürlich die Möglichkeit, segeln und fischen zu gehen, und da ist außerdem die traumhafte Landschaft. Pop ist vorausschauend. Er hat die Bäckerei mit praktisch nichts aufgebaut; wenn er glaubt, dass Feriengäste kommen werden, bin ich bereit, mein letztes Hemd darauf zu verwetten. Aber selbst wenn Russell euch beiden zu verschlafen ist, könnt ihr immer noch nach Auckland, Wellington oder Christchurch gehen.«
Belle lächelte ihre Freundin an. Vera hatte an ihr und Mog ein kleines Wunder bewirkt, sie aus ihrer Trübsal herausgerissen und ihnen neue Hoffnung gegeben.
»Du wirst uns sehr fehlen«, seufzte sie. »Du hast uns beide aufgemuntert und uns viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Ich kann dir gar nicht genug danken.«
»Es wird kein Lebewohl, sondern ein Auf Wiedersehen«, lachte Vera. »Außerdem bleibt uns noch morgen.«
Auf der anderen Seite von London, in St. John’s Wood, saß Noah gerade in seinem Arbeitszimmer und tippte einen Artikel für eine Zeitschrift, als Lisette hereinkam. Sie hatte nach der Geburt der kleinen Rose ein wenig zugenommen, aber mit ihrem glänzenden dunklen Haar, der samtigen Haut und den feinen Gesichtszügen war sie immer noch eine sehr hübsche Frau. Noah hatte in ihr schon immer die Verkörperung französischer Eleganz gesehen, und auch heute fand er, dass sie in ihrem beige-braun gestreiften Kleid zum Anbeißen aussah.
»Bist du hier, um mich von der Arbeit abzulenken?«,
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