Der Zauber eines fruehen Morgens
fragte er.
»Wäre dir eine Ablenkung willkommen?«, gab sie mit ihrem reizenden französischen Akzent zurück.
»Von dir immer«, antwortete er und zog sie auf seinen Schoß.
Sie fuhr ihm mit den Fingern durch sein welliges Haar. »Das muss geschnitten werden«, stellte sie fest. »Sieht aus wie ein Busch.«
Noah lachte. »War das alles, was du sagen wolltest?«
»Nein, ich habe an Etienne gedacht«, gestand sie. »Welche Beweise gibt es eigentlich, dass er tot ist?«
»Jimmy hat von einem Freund einen Brief bekommen, in dem stand, dass Etienne das Croix de Guerre verliehen wurde.«
»Ja, ich weiß, doch die Engländer glauben anscheinend, dassFranzosen nur dann einen Orden bekommen, wenn sie im Kampf gefallen sind. Das ist nicht richtig.«
»Nicht? Aber der Mann, der den Brief geschrieben hat, hätte es doch sicher gewusst, wenn Etienne überlebt hätte, oder?«
»Nicht unbedingt. Gerade du solltest wissen, wie sehr Geschichten beim Weitererzählen verdreht und aufgebauscht werden. Wenn man Etienne nach seinem Tod einen solchen Orden verliehen hätte, wärst du sofort verständigt worden. Dieser Orden ist etwas ganz Besonderes und eine große Ehre.«
»Wir wissen nicht, ob Etienne noch jemandem mitteilen konnte, dass ich im Fall seines Todes zu benachrichtigen bin. Die französische Armee traf relativ spät an der Front bei Ypern ein, und deshalb hat sich die ganze Offensive verzögert. Du, mein liebes Frauchen, hast keine Ahnung, wie drunter und drüber alles zu so einem Zeitpunkt geht. Auch wenn man noch so gut plant, kann’s schiefgehen.«
»Ich finde, du solltest versuchen, etwas über Etienne herauszufinden, so oder so«, beharrte sie. »Wenn er tot ist, müssen seine Angelegenheiten geregelt werden. Und wenn er noch lebt, wird er sich bei Belle nicht melden, weil er denkt, dass sie sich um Jimmy kümmern muss. Woher sollte er wissen, dass Jimmy tot ist?«
»Habe ich dir schon jemals gesagt, dass du nicht nur eine wunderschöne, sondern noch dazu eine sehr fürsorgliche und kluge Frau bist?«
»Nicht oft genug«, lachte sie und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. »Belle und Mog sind dabei, Pläne für die Zukunft zu schmieden, und wie du mir erzählt hast, hat Belle sehr lange um Etienne getrauert. Wenn er tot ist, sollte sein Hof bei Marseille an sie fallen, und wenn er lebt, sollte sie vielleicht zu ihm gehen.«
»Und wenn er nun noch am Leben, aber schwer verwundet ist, so wie Jimmy? Wäre das für sie nicht noch schlimmer?«
»Ist es an uns, das zu entscheiden?« Sie zog fragend eine dunkle Augenbraue hoch. »Und du, Noah, du bist sein Freund. Willst du nicht wissen, ob er Hilfe braucht?«
»Also … ja, sicher. Bis du davon angefangen hast, habe ich gar nicht infrage gestellt, dass er tatsächlich tot ist. Gleich morgen werde ich ein paar Nachforschungen anstellen. Aber wir dürfen Belle keine falschen Hoffnungen machen. Das Ganze bleibt unter uns, bis wir Gewissheit haben – so oder so.«
Lisette nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn auf den Mund. »Ich werde die Hoffnung auf ein romantisches Wiedersehen der beiden jedenfalls nicht aufgeben, mon chéri .«
KAPITEL 29
Überall in London läuteten Glocken, um das Ende des Krieges zu verkünden. Die Menschen waren auf den Straßen, schrien und lachten und umarmten einander vor Freude.
Obwohl Mog und Belle glücklich und erleichtert waren, dass endlich alles vorbei war, und früher am Tag nach draußen gegangen waren, um in den Jubel der Menge einzustimmen, war ihnen wie so vielen anderen, die Ehemann, Sohn oder Bruder verloren hatten, nicht unbedingt nach großartigem Feiern zumute.
Sie hatten den Tag mit Ordnen und Packen verbracht, und nachdem das erledigt war, vor dem Kamin gesessen und über die guten Zeiten vor dem Krieg geredet. Morgen, am zwölften November, würden sie das Railway Inn endgültig verlassen.
Ein Herr namens Charles Wyatt wollte das Lokal kaufen, und da ihm daran gelegen war, möglichst bald wieder zu eröffnen, hatte Mog es ihm vorübergehend vermietet, bis Garths Testament offiziell bestätigt war. Wenn alles geregelt war, würde der Notar in ihrem Namen den Kaufvertrag mit Wyatt abschließen und die Kaufsumme an Mog überweisen.
Dank Noah und seiner Kenntnisse in geschäftlichen Angelegenheiten klappte alles bestens, weil Mog bis zum Verkauf von Wyatt Miete bekommen würde. Charles Wyatt war begeistert, dass er sofort einziehen konnte, und Mog und Belle konnten mit dem Wissen ausziehen, dass
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