Der Zauber eines fruehen Morgens
Mädchen, wir wollen schließlich nicht noch einen rothaarigen Burschen in der Familie!«
Mog gab sich genauso überrascht wie Garth. Sie stand auf, umarmte Belle und Jimmy und meinte, das sei eine wundervolle Neuigkeit. Dann schenkte sie allen Tee ein und ließ sich aufgeregt darüber aus, dass sie eine komplette Ausstattung für das Baby anfertigen würde und dass sie eine Wiege bräuchten.
»Wann willst du deinen Laden schließen?«, fragte Garth Belle. »Du solltest nicht den ganzen Tag auf den Beinen sein.«
»So weit habe ich noch gar nicht gedacht«, gestand sie.
Garth verschränkte die Arme und setzte eine entschlossene Miene auf. »Also, ich finde, du solltest in den nächsten Wochen dichtmachen«, verkündete er und sah Jimmy um Unterstützung heischend an. »Findest du nicht auch, Junge?«
Jimmy lächelte Belle an und nahm ihre Hand. »Ich bin sicher, Belle macht genau das, was für unser Baby am besten ist.«
Für jeden anderen hätte das so geklungen, als wäre es ihre freie Entscheidung, doch Belle spürte, dass Jimmy der Meinung war, sie sollte bis zur Geburt des Kindes zu Hause bleiben und nähen und stricken. Anscheinend hatten einige Wertvorstellungen seines Onkels auf ihn abgefärbt.
Garth hielt nichts von der Gleichberechtigung der Frau. Mog zog ihn oft und gern wegen seiner Ansichten auf, ob es nun darum ging, dass Frauen das Wahlrecht bekamen, in Kneipen gehen oder einen Beruf ausüben durften, der traditionell Männern vorbehalten war. Aber sosehr sie auch stichelte, in Wirklichkeit entsprach sie Garths Idealbild einer Frau, weil sie wusch, kochte und sauber machte und alle Entscheidungen ihm überließ.
Bis jetzt war der Gedanke, ein Baby zu haben, ein rosaroter Tagtraum gewesen. Belle hatte sich vorgestellt, dass ihr Leben wie gehabt weitergehen würde, nur dass es zusätzlich ein dralles Baby gab, das in seiner Wiege lag und krähte und von allen angehimmelt wurde. Sie hatte bisher nicht erkannt, dass ein Kind sie in ihrer Freiheit, zu tun und zu lassen, was sie wollte, stark einschränken würde.
»Du siehst sehr müde aus, Belle«, bemerkte Mog, die vielleichtspürte, was ihr durch den Kopf ging. »Möchtest du dich nicht ein bisschen hinlegen?«
»Ja, ich glaube, das ist eine gute Idee«, erwiderte Belle. »Aber du musst dich auch ausruhen. Ich wette, du bist seit Tagesanbruch auf den Beinen.«
Belle war noch wach, als Jimmy ins Schlafzimmer kam, doch sie ließ die Augen geschlossen und gab vor zu schlafen. Wahrscheinlich drängte es ihn, über das Baby zu sprechen, doch das wollte sie nicht, nicht jetzt. Er zog seine Schuhe aus und legte sich neben sie, und nach einer Weile verrieten ihr seine tiefen Atemzüge, dass er eingeschlafen war.
Es war sehr warm, und Belle lag auf dem Rücken und betrachtete die Staubpartikel, die in den Lichtstreifen tanzten, die durch die weißen Spitzengardinen fielen. Belle hatte alles für ihr Schlafzimmer selbst ausgesucht, von den Tapeten mit dem Rosenmuster bis zu dem Messingbett mit dem breiten weißen Kopfstück und der Rosenholzkommode mit den winzigen Schubladen, in denen sie all ihren Schmuck aufbewahrte. Garth hatte Jimmy einmal im Spaß gefragt, wie er es in einem so weiblichen Raum mit all den Rüschen und Spitzen aushielt.
»Mir gefällt das Zimmer, weil es Belle gefällt«, hatte Jimmy geantwortet.
Das sagte eigentlich alles über ihn. Er war bei Weitem kein Schwächling; er konnte sehr ruppig mit Kunden werden, die sich danebenbenahmen, und hatte nichts für arbeitsscheues Gesindel oder Leute übrig, die ständig über ihr Geschick jammerten. Aber er war ein unkomplizierter Mensch, der die Dinge nahm, wie sie kamen. Was andere über ihn dachten, interessierte ihn nicht. Belle kannte niemanden, der ihn nicht gern hatte, denn er war freundlich, großzügig, hatte Interesse an anderen und viel Sinn für Humor. Doch vor allem war er aufrichtig. Wenn er nach seiner Meinung gefragt wurde, sprach er sie aus; wenn er ein Versprechen gab, hielt er es.
Neben dem Bett hing in einem Silberrahmen eine Fotografievon ihnen beiden an ihrem Hochzeitstag. Mog hatte Belles wunderschönes hochgeschlossenes, langärmeliges Hochzeitskleid aus elfenbeinfarbenem Satin mit dem engen Mieder und der kleinen Schleppe genäht. Jimmy hatte nie besser ausgesehen als an jenem Tag in seinem blassgrau gestreiften Anzug. Auf allen anderen Fotos hatten sie sehr ernst und steif ausgesehen. Aber dies hier war gemacht worden, als sie einander ansahen und lachten, und
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