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Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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bei der Tür aufzuhängen. Andernfalls würde er ihren ganzen Boden nass tropfen.
    »Guten Tag, Sir«, sagte sie höflich. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich möchte einen Hut kaufen«, antwortete er kurz angebunden.
    »Ich führe keine Herrenhüte, Sir«, erwiderte sie. Sie nahm an, dass er einen Hut für sich suchte, da er keinen trug und sein nahezu kahler Kopf tropfnass war. »Aber ein paar Türen weiter finden Sie einen Herrenausstatter, bei dem Sie sicher bekommen, was Sie wünschen.«
    »Habe ich gesagt, dass ich einen Herrenhut will?«, fuhr er sie an.
    Auf einmal hatte Belle Angst. Während der Fremde von Weitem halbwegs achtbar geklungen und ausgesehen hatte, verströmte er jetzt aus der Nähe einen muffigen Geruch, der sie an Sly erinnerte, einen der Männer, die sie damals, als sie fünfzehn Jahre alt gewesen war, entführt hatten. Er hatte einen ungepflegten Schnurrbart, und auf seinem Kinn wuchsen Bartstoppeln. Beim genaueren Hinsehen stellte sie fest, dass sein Hemdkragen sehr schmutzig war.
    »Dann wollen Sie vielleicht einen Hut für Ihre Frau kaufen?«, fragte sie.
    Belle hatte sich in ihrem Geschäft noch nie gefürchtet, doch als ihr jetzt auffiel, wie dunkel es draußen auf der Straße geworden war, die noch dazu wegen des Regens menschenleer war, wurde ihr bewusst, wie leicht sie das Opfer eines Diebs werden konnte, der durchs Fenster schaute und feststellte, dass sie allein war.
    »Ich will Geld«, knurrte er, steckte seine Hand in die Manteltasche und zog einen kurzen, kräftigen Holzknüppel heraus.
    Belle starrte ihn fassungslos vor Entsetzen an. Er hatte sie beunruhigt, doch damit hatte sie nicht gerechnet. »Ich habe heute kaum etwas eingenommen«, brachte sie heraus. Es stimmte; sie hatte einen einzigen Hut verkauft, und er hatte nur zwei Schilling gekostet. Zusammen mit dem Wechselgeld in der Schublade waren insgesamt vielleicht sieben, acht Schilling vorhanden.
    Er zog die Lippen zurück. »Lügen Sie mich nicht an! Ich weiß, dass Sie gute Geschäfte machen.«
    »Aber nicht heute. Es regnet seit Stunden ununterbrochen, und es ist kalt«, sagte sie.
    Er machte einen Satz nach vorn und hob drohend den Knüppel. Belle wich zurück und hielt sich schützend die Arme über den Kopf. »Tun Sie mir nichts zuleide, ich gebe Ihnen alles, was ich habe!«, rief sie.
    Als der erwartete Schlag ausblieb, spähte sie durch ihre Finger. Der Mann stand schon bei der Schublade, raffte die Münzen zusammen, die darin lagen, und stopfte sie in seine Jacke. Damit stand fest, dass er sie schon eine ganze Weile beobachtet hatte, denn die Schublade war winzig und nicht auf den ersten Blick zu erkennen.
    »Na schön, wo ist der Rest?«, fragte er und trat näher. »Wenn ich es nicht gleich kriege, schlage ich erst den Laden zusammen und dann dich!«
    Belles Herz hämmerte vor Angst. Dem Mann stand die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, und sie spürte, dass er es ernstmeinte. »Mehr ist nicht da«, wiederholte sie. »Ich habe heute nur einen billigen Hut verkauft, und mehr Geld habe ich nicht hier.«
    »Lügen Sie mich nicht an!«, brüllte er. »Her damit!«
    Wenn noch irgendwo Geld gewesen wäre, hätte Belle es sofort geholt. Sie hatte schon oft genug mit verzweifelten Männern zu tun gehabt, um zu wissen, dass es Wahnsinn wäre, jetzt die Heldin zu spielen.
    »Ich versichere Ihnen, dass ich nicht mehr hier habe«, sagte sie panisch. »Wenn ich welches hätte, würde ich es Ihnen geben.«
    Er drosch mit dem Knüppel auf ihren Drehspiegel und zertrümmerte das Glas. Unzählige Splitter fielen klirrend zu Boden. »Her damit, sonst bist du als Nächste dran!«, brüllte er sie an.
    Belle wusste nicht ein noch aus. Die Hintertür war versperrt und verriegelt, und selbst wenn sie es bis dorthin schaffte, würde er sie einholen, ehe es ihr gelang, die Tür zu öffnen und zu entkommen.
    »Ich kann Ihnen nicht geben, was ich nicht habe!«, rief sie. »Sie haben schon alles, was da ist.«
    Er stieß ein wütendes Knurren aus, sprang auf sie zu und hieb ihr den Knüppel auf die Schulter. Belle schrie vor Schmerz, taumelte zurück und hielt sich die Schulter.
    »Es ist da drin, oder?« Er zeigte mit dem Knüppel auf das angrenzende Zimmer.
    Belle stand mit dem Rücken an der Wand zum Hinterzimmer. »Wenn Sie dort Geld finden, können Sie es gern behalten«, schluchzte sie.
    Als er eine Bewegung machte, als wollte er sich selbst überzeugen, sah sie ihre Chance gekommen und flog zur Tür. Aber sie hatte eben erst die

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