Der Zauber eines fruehen Morgens
einem Hauch Rosa geschlungen. Ihr schlichter grauer Hut war mit einem Band aus demselben Stoff wie ihr Schal verziert.
»Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«, fragte sie überrascht.
»Doch, natürlich«, antwortete Belle. »Ich brauche eine Angestellte, und es ist viel sinnvoller, jemanden einzustellen, der ein Gespür für Stil und Schick hat, als irgendein unbeholfenes Ladenmädchen, das bisher Käse abgewogen hat.«
Miranda lachte. »Oh, Belle, ich wäre in meinem Element, weil ich Hüte liebe! Aber weiß der Himmel, was Mama dazu sagen wird!«
»Vielleicht könnten Sie ihr erzählen, dass Sie mir nur aushelfen wollen? Es eher als Akt der Barmherzigkeit darstellen, nicht als bezahlte Arbeit?«
Jetzt brachen beide Mädchen in Gelächter aus, Belle, weil sie sich ausmalte, wie sich die Furcht einflößende Mrs. Forbes-Alton vor Empörung aufplusterte, während sie ihre Ansichten über gewöhnliche Ladenmädchen zum Besten gab, als wären sie so etwas wie Ungeziefer.
»Sie wird sagen: ›Das kann nicht dein Ernst sein, Miranda! Man wird dich für eine Suffragette halten!‹«, bemerkte Miranda, wobei sie die Stimme ihrer Mutter nachahmte. »Für sie ist alles, was auch nur im Geringsten von der Norm abweicht, ein Anzeichen für Feminismus.«
»Mog hat große Sympathien für die Suffragetten«, erwiderte Belle. »Ich auch. Warum sollten Frauen nicht wählen dürfen?«
»Ehrlich gesagt, ich bin derselben Meinung«, gab Miranda zu. »Wenn Frauen an der Macht wären, gäbe es keine Kriege. Wir haben mit unserer Zeit Besseres zu tun, als Schützengräben auszuheben und auf Leute zu schießen.«
»Und was würden Sie mit Ihrer Zeit anfangen, wenn Sie tun und lassen könnten, was Sie wollen?«, fragte Belle.
»Ich hätte nichts gegen einen Nachmittag mit einem tollen Liebhaber einzuwenden«, antwortete Miranda.
Ihre unerwartet kecke Antwort versetzte Belle sofort in die Zeitin New Orleans zurück und erinnerte sie an die trägen Tage in Marthas Freudenhaus. Die Mädchen dort waren offen und warmherzig gewesen, und Belle fehlte es, unbeschwert mit anderen jungen Frauen zu plaudern und herumzualbern. Miranda war nicht so deutlich geworden, wie es die Mädchen bei Martha gewesen wären, doch die Tatsache, dass sie so etwas ganz unbefangen aussprach, bewies, dass sie Belle als Freundin betrachtete.
Miranda hielt sich eine Hand vor den Mund. »Wie taktlos von mir nach allem, was Sie durchgemacht haben!«, murmelte sie und errötete über und über.
»Ganz und gar nicht«, lachte Belle. »Sie haben mich mehr aufgemuntert, als Sie ahnen.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich. Es ist schön, dass Sie nicht das Gefühl haben, in meiner Gegenwart jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen.«
Die beiden lachten immer noch, als Mog auf einem Tablett die Blumen in einer Vase und Tee und Kuchen hereintrug. »Ich konnte euch unten lachen hören. Darf ich auch hören, was so lustig war?«
»Ach, nur eine dumme Bemerkung über eine von Belles Kundinnen«, flunkerte Miranda. »Es hat uns beide zum Lachen gebracht.«
»Nun, es hat gutgetan, das zu hören«, erwiderte Mog. Sie stellte das Tablett auf den Frisiertisch und die Blumen auf die Kommode. »Das Einschenken überlasse ich Ihnen, Miss Forbes-Alton«, sagte sie und ließ die beiden wieder allein.
Belle schüttete sich förmlich aus vor Lachen. »Miranda, Sie können genauso gut schwindeln wie ich«, stellte sie fest.
»Das habe ich gelernt, um Mama bei Laune zu halten«, gab sie zurück. »Sie würde glatt platzen, wenn sie hören könnte, dass ich mir einen Nachmittag mit einem Liebhaber wünsche.«
Auf einmal erkannte Belle, warum Miranda bei Frank so rückhaltlos gewesen war. Als sie ihn kennengelernt hatte, mochte sie noch etwas naiv gewesen sein, doch sie war nicht das zarte, kleine Pflänzchen, für das Belle sie anfänglich gehalten hatte. Im Grunde ihres Herzens war sie eine Abenteurernatur, und es lag nur an ihremMangel an Erfahrung mit heißblütigen Männern, dass sie ihrem Verführer in die Falle gegangen war. Anscheinend hatten sie und Belle noch mehr gemeinsam, als sie gedacht hatte.
Miranda blieb bis kurz vor fünf bei ihr. Sie redeten über dies und das, und die Zeit verging wie im Flug. Erst als Miranda auf die Uhr sah und feststellte, dass sie nach Hause müsse, wurde sie wieder ernst.
»Ich habe Sie noch gar nicht gefragt, wie Sie mit dem Verlust Ihres Babys fertigwerden«, sagte sie und beugte sich vor, um Belles Wange zu streicheln. »Glauben Sie
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