Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber eines fruehen Morgens

Der Zauber eines fruehen Morgens

Titel: Der Zauber eines fruehen Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
Vom Netzwerk:
empfand, wünschte er sich inständig, den Schurken, der Reillys Frau überfallen hatte, zur Strecke zu bringen.
    »Können Sie vielleicht gleich nachfragen?«, bat er Wootton. »Je eher wir den Mistkerl hinter Gitter bringen, desto besser.«
    Wootton ging seine Kollegen befragen und war ungefähr zwanzig Minuten fort. Broadhead, der im Verhörraum wartete, staunte über den Lärm und das Getöse in dem Gebäude. Abgesehen von Samstagabenden, wenn gelegentlich betrunkene Raufbolde in der Zelle landeten, ging es in der Wachstube in Blackheath ruhig und friedlich zu. Aber obwohl es ein Wochentag und um die Mittagszeit war, schrie hier eine Frau aus voller Kehle, jemand anders trampelte auf den Fußboden einer Zelle, Türen wurden zugeknallt, und alle paar Minuten brüllte und fluchte jemand. Irgendwann waren vor der Tür des Verhörraums Schritte zu hören, und ein Mann protestierte lautstark, dass er es nicht gewesen wäre.
    Wootton kam mit zufriedener Miene zurück. »Ja, er ist hier registriert. Heißt Archie Newbold und ist ohne festen Wohnsitz. Vor ein paar Jahren wurde er wegen Invalidität aus der Armee entlassen, und wir hatten ihn ein paar Mal wegen Schlägereien und Trunkenheit hier.«
    Broadhead nickte. »Also, wann schnappen wir ihn?«
    »Von ›wir‹ kann keine Rede sein«, sagte der ältere Mann scharf. »Er gehört in unser Revier; wir nehmen die Verhaftung vor. Kehren Sie nur in Ihr friedliches Blackheath zurück; wir geben Bescheid, wenn wir ihn haben.«
    Broadhead fühlte sich, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. »Aber Sir, ich habe die ganze Beinarbeit erledigt. Eigentlich wollte ich ihn auch festnehmen.«
    Wootton fixierte ihn einen Moment lang, bevor er antwortete. »Um hier Gauner dingfest zu machen, muss man die Gegend kennen. Es gibt unzählige enge, dunkle Gassen, alte Lagerhäuser, Opiumhöhlen, Bordelle und Mietskasernen mit bis zu zehn Leuten pro Zimmer, elende Löcher, wo die Frauen genauso schlimm sind wie die Männer und die Kinder nicht weit davon entfernt. Sie wären nur eine Belastung für uns. Sie wirken zäh, doch das allein reicht hier nicht; man muss auch gerissen sein.«
    Broadhead nahm Anstoß an der Unterstellung, dass sich seine Polizeiarbeit darauf beschränkte, entlaufene Hunde zu finden und alten Damen über die Straße zu helfen, aber er war klug genug, sich nicht auf einen Wortwechsel mit einem ranghöheren Polizeibeamten einzulassen. Wootton machte den Eindruck, ziemlichungemütlich werden zu können, wenn man ihm in die Quere kam.
    »Na ja, Sie wissen, wo Sie mich finden, falls Sie Unterstützung brauchen«, sagte er. »Die Zeichnung nehme ich wieder mit, da wir sie als Beweismittel brauchen.«
    Wootton warf wieder einen Blick auf das Bild. »Gut getroffen. Ich frage mich, ob Mrs. Reilly auch jemanden nach einer Beschreibung zeichnen könnte. Damit könnten wir Missetätern erheblich leichter auf die Spur kommen.«
    »Ich werde das Kompliment weitergeben, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich mit so etwas beschäftigen will, nicht nach allem, was sie durchgemacht hat«, erwiderte Broadhead. »So, und jetzt muss ich los. Viel Glück bei der Suche nach Newbold.«
    In der letzten Novemberwoche suchte Belle zum ersten Mal seit dem Überfall wieder ihren Laden auf. Mog war bei ihr, und Miranda sollte auch jede Minute eintreffen.
    »Es riecht ein bisschen klamm«, meinte Mog, als sie die Tür öffnete und das Licht einschaltete. »Aber das wird bald vergehen, wenn wir einheizen.«
    Belle trat zögernd ein und empfand leise Überraschung, weil alles genauso aussah wie vor dem Überfall. Sie wusste, dass Mog und Garth den Drehspiegel ersetzt und alles, was kaputtgegangen war, weggeräumt hatten, doch sie hatte trotzdem erwartet, irgendwelche Hinweise auf das, was an ihrem letzten Nachmittag hier passiert war, zu entdecken.
    Sie wusste, dass sie erleichtert sein sollte, nichts dergleichen vorzufinden, und sogar erfreut sein müsste, den Ort zu sehen, den sie einmal so sehr geliebt hatte. Aber in Wahrheit wollte sie überhaupt nicht hier sein, weder jetzt noch in Zukunft.
    Nicht, dass sie Angst gehabt hätte. Sie spürte nur, dass der Ehrgeiz, der sie angetrieben hatte, ihren Traum von einem eigenen Geschäft zu verwirklichen, nicht mehr vorhanden war. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sie sich weiterhin damit beschäftigen wollte, einen Hut zu entwerfen und dann zu fertigen, und ebenso wenig wollte sie Tag für Tag in diesem Laden stehen und Frauen

Weitere Kostenlose Bücher