Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
erinnerst dich, mein Harlech! Dann weißt du vielleicht auch, dass ich sie jahrelang die sieben Reiche absuchen ließ nach etwas, das ich haben will – das Einzige, das ich noch brauche. Aber sie haben mich immer wieder enttäuscht. Genau wie sie es nicht geschafft haben, meinen einzigen großen Feind zu töten . . . oder meinen großen Verbündeten zu finden, auf den ich warte, seit ich zum ersten Mal die Prophezeiung gehört habe. Aber nichts davon ist jetzt wichtig. Jetzt geht es nur darum, was ich haben will – meine Belohnung. Und diesmal . . . soll es keine Enttäu schung geben. Hast du verstanden?«
»Ja, Meister.«
»Ich könnte dir befehlen diese Aufgabe zu erfüllen, nicht wahr, Harlech?«
»Ja, Meister.« Besorgt berührte er die Narbe am Kinn.
»Aber nein, ich brauche dich und alle deine Männer hier, um die Sklaven unter Kontrolle zu halten. Wir haben jetzt keine Zeit für Aufruhr. Doch die Arbeit der Sklaven ist fast getan. Und wenn der Damm fertig ist – werden auch sie fertig sein.«
Harlech erlaubte sich ein leichtes Grinsen. Er verstand völlig, was gemeint war.
Die weißen Hände schlugen durch die Luft. »Also bring mir, was ich verlange! Einen Sklaven, der klug genug ist zu tun, was ich will. Der Familienangehörige oder gute Freunde hat – damit ich seiner Loyalität sicher sein kann. Und der noch einen gewissen Kampfgeist hat, genug, um eine lange Reise zu überstehen, hmmja.«
Harlech runzelte die Stirn. »Einen gewissen Kampfgeist, wie? Den haben nicht viele, Meister.« Er fingerte am Griff seines Rapiers. »Wenn ein Sklave zu, äh, munter wird, dann setze ich ihn beim Schwerttraining ein, verstehst du? Und dann können sie nicht mehr besonders gut gehen. Oder laufen. Immerhin haben wir in den letzten drei Monaten keine entlaufenen Sklaven . . . wenigstens keinen, der noch lebt.«
Die Stimme im Schatten knurrte nur. »Solange die meisten noch arbeiten können, ist mir gleichgültig, was du machst. Aber jetzt, mein Harlech, brauche ich diesen Sklaven.«
Der Mann verlagerte sein Gewicht, sein Schwert stieß klirrend gegen einen der Dolche. «Kannst du mir nicht mehr über seine Aufgabe sagen, Meister?«
Aus der Finsternis kam ein leises, freudloses Lachen. »Er soll mir die Belohnung bringen. Hmmja! Das ist etwas ganz Besonderes, mein Harlech. Etwas, das ich einst gefunden und dann verloren – und schließlich wieder gefunden habe.«
»Was, Meister?«
Wieder kam das Lachen, es mischte sich in den zunehmenden Wind, der gegen den Felsturm peitschte. »Etwas mit der Kraft . . .«, die bleichen Hände drückten die Luft, als wollten sie jemanden erwürgen, »von Merlin selbst.«
4
Heißes Wachs
B AAAM!
Die große Eisenglocke läutete, es hallte über das ganze Drumanergelände. Das war keine kleine Leistung, denn das Gebiet umfasste mehrere Quadratmeilen mit Gärten, Alleen, Monumenten, Versammlungshäusern, Unterkünf ten , Handwerkszentren, Schreinen und anderen Einrichtungen der Gemeinschaft des Ganzen. Manchmal, wenn der Wind stark blies, konnte das Läuten der Glocke sogar über die Außenmauern hinaus in der Landschaft von Steinwurzel gehört werden.
Viele Barden hatten die Geschichte dieser Glocke besungen. Sie war aus der Gürtelschnalle eines Riesen gefertigt, durch den Atem eines Feuerdrachen geschmolzen, von Zwergenhänden geformt und von Feenkünstlern erlesen geschmückt worden und symbolisierte das Urideal der Drumaner: Einheit und Zusammenarbeit aller Geschöpfe. Manche glaubten, dass die Schnallenglocke, wie sie liebevoll genannt wurde, auf den Einfall der Gründerin Elen zurückging. Dann wäre sie fast so alt wie der Steinkreis, der den großen Tempel des Geländes bildete . . . und beinah so alt wie Avalon selbst.
Die ältliche Priesterin, die jetzt neben der Glocke stand und wollene Ohrenschützer trug, um ihr eingeschränktes Gehör nicht zu strapazieren, sah kaum jünger aus. Die wenigen weißen Haarsträhnen, die Priesterin Hywel geblieben waren, wehten bei jedem neuen Glockenklang hoch. Sie flatterten auch bei jeder Handbewegung, mit der Hywel den acht gehorsamen Hundefeen – alle mit walnussbraunem Fell, weißen Flügeln und heraushängenden rosa Zungen – signalisierte das Glockenseil zu ziehen.
Hywel lebte auf dem Gelände schon länger als sonst jemand – einschließlich der Hohepriesterin Coerria, jetzt fast zweihundert Jahre alt – und war Älteste geworden, bevor einige der anderen Ältesten überhaupt geboren waren. Doch obwohl sie
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