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Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung

Titel: Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron , Irmela Brender
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Hände.
    Blassweiß, mit perfekt geschnittenen Fingernägeln, hoben sich die Hände manchmal kurz aus dem Schatten. Keine Schwiele, geschweige denn eine Narbe, beeinträchtigte das glatte Fleisch der langen schlanken Finger. Sie fassten den Umhang am Hals und zogen die Kapuze herunter, wenn ein heftiger Windstoß übers Land peitschte und sogar in die schmalen Ritzen des Turms fuhr.
    Solche Windstöße waren häufig hier in den nördlichsten Ausläufern von Wasserwurzel – der Region, die von den Barden oberes Brynchilla genannt wurde. Denn hier in diesem Land, das wenige Geschöpfe besuchten, waren Wind und Wasser die einzigen beständigen Gegebenheiten. Beide bewegten sich frei, wie sie es seit der Entstehung Avalons getan hatten. Wie es der alte Spruch beschrieb:
     
    Wo Brisen wehen,
    Wo Tümpel stehen, Im obern Brynchilla,
    Verzieh dich geschwind.
     
    Wo Ströme rasen
    Und Stürme blasen,
    Ist keiner zu Haus außer
    Wasser und Wind.
     
    Während der Mann im Umhang im Schatten stand, spähte er hinunter in einen riesigen Cañon zwischen hohen Felswänden – und drückte sich triumphierend die Hände. Denn er hatte jetzt beinah geschafft, was niemand in Avalons Geschichte je zu versuchen gewagt hatte. Er hatte das Aussehen dieses entlegenen Cañons und das magische Wasser darin für immer verändert.
    Seit langer Zeit war Wasser durch diesen Cañon aus rotem Fels am nördlichen Rand des Landes geflossen – so viel Wasser, dass es fast alles, was zu Wasserwurzel gehörte, versorgte. Überall, im dünnsten Rinnsal, im größten See und in den tiefsten Bereichen der Regenbogenmeere, die so ausgedehnt waren, dass sie weder Küste noch Grund zu haben schienen, wurde Wasser aus diesem Cañon gefunden. Manches davon stürzte sogar zurück in die unterirdischen Flüsse, die zu den Nachbarländern Steinwurzel und Waldwurzel flossen. Doch was auch das letzte Ziel des Wassers sein mochte, jeder Tropfen, der durch diesen Cañon floss, kam vom selben Ort: dem weißen Geysir Crystillia.
    Langsam wandte sich der Mann im Umhang nach Norden. Dort, ganz oben am Cañon, war dieser Gischtturm, der legendäre weiße Geysir. Er war so gewaltig, dass niemand außer dem Wind es wagte, sich dem schäumen den Gipfel zu nähern, und er gab ein unaufhörliches Grollen von sich, das wie endloser Donner über die hohen Klippenwände dröhnte. Weil er so abgelegen war, hatte noch kaum jemand den Geysir aufgesucht – genau wie noch kaum jemand in diesen Cañon hinuntergeschaut hatte. Man wusste davon nur durch die Journale des Forschers Krystallus oder durch die Lieder der wandernden Barden.
    Senkrecht schoss der weiße Geysir hoch und schleuderte Wasser aus unbekannten Tiefen bis in die Höhe von hundert Eichenbäumen. Genau wie er es Tag und Nacht, Jahr um Jahr, alle Zeitalter Avalons hindurch getan hatte.
    »Aber jetzt«, krächzte die Stimme unter der Kapuze, »gehörst du mir, hmmja. Nicht Avalon. Nicht Wasserwurzel. Keinem außer mir.«
    Seine bleichen Hände ballten sich zu Fäusten beim Gedanken an all die Balladen, die den Cañon von Crystillia feierten und den weißen Geysir, dessen Wasser ihn füllte. Balladen, die rauschten wie ein Springbrunnen und das unheimliche Leuchten dieses Wassers rühmten – ein Schein, der vom
Élano
kam, dem magischen Saft des großen Baums. Diese Balladen priesen auch die Menge des Wassers, das hier ausbrach, seine weiße Farbe, die sich in die sieben Spektralfarben teilte, wenn der Schwall die Prismenschlucht am unteren Ende des Cañons erreichte, und seine Bestimmung,nach Süden zu fließen und die Farben ins ganze Land bis zu den Regenbogenmeeren zu tragen. Doch vor allem feierten sie die Freiheit dieses Wassers, seine Beständigkeit, seine unaufhaltsame Kraft.
    »Nicht länger«, sagte der Mann befriedigt. »Denn ich habe dich angehalten. Hmmja. Ich – der größte Zauberer aller Zeiten.«
    Entzückt rieb er sich die Hände. Von diesem Aussichtspunkt im Schatten seines Turms am Cañonrand sah er den gigantischen Steindamm, der sich jetzt über die Prismenschlucht spannte. Oberhalb des Damms füllte ein riesiger weißer See den Cañon fast bis zum Rand, still und düster lag er da. Und unterhalb des Damms floss kein Wasser mehr, tanzten keine Farben mehr die sieben unteren Cañons hinunter zu den Ländern und Seen dahinter.
    Der Mann kicherte in sich hinein. In wenigen weiteren Wochen würde der Damm vollendet sein und der See gefüllt, dann nahte sein lange erwarteter Moment des Triumphs.

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