Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
Arme nach ihr aus. »Lass mich dein hübsches Gesicht sehen.«
Das Mädchen kreischte. Zitternd vor Angst wich sie andie Steinmauer des Hauses zurück. »Lasst mich in Ruhe«, wimmerte sie und saugte an ihren Knöcheln. »Oder mein Papa . . .« Saug, saug, saug. »Kommt.«
»Ooh«, der große Gobsken tat, als fürchte er sich. »Da habe ich aber große Angst.« Er gackerte und kam näher.
»Also ich bin nur«,
hick,
»ziemlich hungrig«, sagte sein Freund. »Und dieses Mädchen sieht aus wie eine köstliche Mahlzeit.«
Tamwyn sprang auf und packte die Leiter. »Haut ab, ihr beiden!«, rief er.
Überrascht erstarrten die beiden Gobsken. Gerade als sie aufschauten, begann Tamwyn den Abstieg. Schnell trat er auf die oberste Sprosse. Nur
war
da keine oberste Sprosse. Mit einem verzweifelten Schrei taumelte er zurück und schlug mit den Armen um sich. Er fiel von der Leiter – direkt auf den größeren Gobsken. Beide stürzten zu Boden, von dem eine Wolke aus Stroh und Ruß aufstieg. Tamwyn rollte von dem Kerl hinunter und kam auf die Füße – gerade als der andere Gobsken sich brüllend auf diesen Angreifer aus der Luft warf.
Doch während Tamwyn sich anstrengte sein Gleichgewicht zu halten, stolperte er über den aufgebrochenen Strohballen. Er fiel zur Seite. Der Gobsken flog direkt an ihm vorbei und knallte mit dem Kopf an die Steinmauer.
Entsetzt schrie das Mädchen wieder auf. Sie trat nach einem der Gobsken, traf aber Tamwyn am Schienbein. Der Tritt tat weh, zweifellos . . . aber nicht so sehr wie das hysterische Gelächter des Hoolahs, der sich noch immer an der Hausseite versteckte.
Tamwyn fuhr herum, er war auf den Hoolah so wütend wie auf die beiden Angreifer. Doch bei der plötzlichen Bewegung schlug er mit der Schulter an die Leiter, die an der Mauer entlangrutschte und gegen den Holzeimer prallte, der auf der Dachkante stand. Der Eimer wackelte einen Augenblick, dann purzelte er herunter.
Und traf den Kopf des Mädchens! Sie fiel sofort ohnmächtig um – und schlug so wuchtig wie ein gefällter Baum in den Dreck. Der Hoolah sah es und lachte noch mehr.
Inzwischen standen die beiden Gobsken wieder auf ihren wackligen Beinen. Der größere zog eine Grimasse und drückte den schlaffen Arm an die Brust. Weil die Rauferei viel anstrengender geworden war, als sie erwartet hatten, wechselten sie einen Blick und stolperten davon in die Felder hinter dem Dorf. Bald waren ihre dunklen Gestalten im Schatten verschwunden.
»Sag bloß! Was geht denn hier vor?«
Als Tamwyn Lotts dröhnende Stimme hörte, wurden ihm die Knie weich. Wie sollte er das erklären? Er kniete sich neben das bewusstlose Mädchen, das flach auf dem Bauch lag und die Arme ausgebreitet hatte wie ein schlafendes Schwein.
Lott eilte herbei, er hinkte immer noch von dem Hammer, den Tamwyn auf seinen Fuß fallen gelassen hatte. Sein leidender Gesichtsausdruck verstärkte sich dramatisch, als er seine Tochter erblickte. Wütend schob er Tamwyn zur Seite. »Was hast du mit ihr gemacht, du lausiges Luder?«
»Ich . . . ich, nun . . .«
»Er hat sie geschlagen, das hat er gemacht!«, rief eineStimme aus dem Schatten neben dem Haus. »Hat sie mit seinem großen schweren Eimer umgehauen.«
Die Stimme schwieg ein paar Sekunden, es klang, als würde sie ersticken – oder das Lachen unterdrücken. Dann setzte sie hinzu: »Brutal war das, schrecklich brutal.«
Selbst in dem trüben Licht sah Tamwyn, wie sich Lotts wabbeliges Gesicht rosa färbte, dann rot, dann dunkelviolett. Der ganze mächtige Körper zitterte wie eine übergroße Dampfnudel, die gleich auseinander fällt. Tamwyn sprang auf die Füße und wich zurück.
Das Mädchen stöhnte. Lott beugte sich zu ihr und drückte den Daumen an ihr Handgelenk, um den Puls zu fühlen. Nachdem er festgestellt hatte, dass sie noch lebte, drehte er sich wieder nach Tamwyn um.
»Hau ab!«, brüllte er. »Raus aus diesem Dorf mit dir, du rabiater Rabauke! Und komm bloß nie, nie mehr zurück, verstanden? Nie mehr!«
Tamwyn schluckte, dann ging er langsam davon. Wäh rend er in der dunkler werdenden Nacht verschwand, hörte er sich seufzen. Und dann hörte er noch etwas – es klang wie heiseres Gelächter aus der Finsternis.
3
Eine bleiche Hand winkt
I m Schatten des großen Felsturms streifte eine einsame Gestalt umher. Ihr Umhang mit Kapuze war der Finsternis so angepasst, dass die Figur nur schwarz in schwarz wirkte, so wenig sichtbar wie ein Rabe vor einem sternlosen Himmel. Bis auf die
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