Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
gekommen war oder wie sie ihre Kräfte erworben hatte. Selbst ihr genauer Wohnort war ein Geheimnis: Vielehatten versucht sie zu finden, doch alle waren gescheitert – und manche waren nie zurückgekehrt.
Zweierlei stand fest: Erstens war sie sehr alt – alt genug, um den großen Zauberer Merlin während seiner letzten Tage in Avalon gekannt zu haben. Gemeinsam hatten sie schließlich den schrecklichen Krieg der Stürme beendet und den berühmten Vertrag vom schäumenden Meer ausgearbeitet, den alle Geschöpfe unterzeichnet hatten (außer Gnomen, Gobsken, Ogern, Trollen, Wechselbälgen und Todesträumern). Und zweitens hatte sie immer ein besonderes Interesse an der Gemeinschaft des Ganzen gezeigt. Warum das so war, konnte niemand erklären, doch die Herrin schien Drumaner zu schätzen.
Und deshalb war sie im Lauf der Jahrhunderte gelegentlich in Visionen erschienen – aber nur Hohepriesterinnen. Oder Frauen, die bald Hohepriesterinnen werden sollten. Diese Visionen waren Ereignisse von großer Bedeutung – obwohl es seit mehr als hundert Jahren keine mehr gegeben hatte, seit Coerria Führerin der Drumaner geworden war. Es hieß auch, dass die Herrin vom See eines Tages mehr tun werde, als in einer Vision zu erscheinen, dass sie tatsächlich eine Priesterin an ihrem Wohnsitz willkommen heißen werde – und dass diese Priesterin die Gemeinschaft des Ganzen verändern und ihre größte Leiterin seit Elen werden könne.
Natürlich war keine Priesterin je am verzauberten Wohnsitz der Herrin willkommen geheißen worden. Noch hatte eine Priesterin eine Vision gehabt, die sie einlud.
Bis jetzt.
Llynia kicherte leise, blies sich ein paar rosa Blasen vom Kinn und erinnerte sich an die gedämpfte Erregung aller im großen Tempel. Und, das war das Beste, an den über raschten – nein, erschrockenen – Ausdruck auf Coerrias Gesicht. Denn es ging nicht nur darum, dass Llynia die Vision von der Herrin gehabt hatte und deshalb bestimmt bald Hohepriesterin sein würde, wichtig war auch, dass Coerria die Vision
nicht
gehabt hatte. Also war Coerrias Zeit endlich fast abgelaufen.
Oh, aber das war noch nicht alles! Llynia fuhr mit den Händen über die moosigen Teichränder, kämmte mit den Fingern die dicken Stränge und fühlte ihre üppige Sanftheit. Und sie nickte bei der Erinnerung an ihren Triumph, als sie dem Ältestenrat ihre abschließende Neuigkeit mitteilte: In ihrer Vision hatte die Herrin vom See sie in ihren Wohnsitz mitgenommen.
Nach dieser Erklärung war der gesamte Rat in Beifall ausgebrochen. Alle außer Coerria natürlich und einige ihrer getreuesten Trottel wie zum Beispiel Lleu. Doch der Rat hatte dann schnell beschlossen Llynia zu einer Reise nach Waldwurzel zu ermächtigen – um die Herrin vom See zu finden und in dieser Zeit so ernster Schwierigkeiten ihren weisen Rat zu suchen.
Aber zuerst . . . sollte sie ein Bad nehmen, wie es nur die Drumaner bereiten konnten. Llynia bewegte die Finger im warmen Wasser, Finger, die bald die Hand von Avalons größter Zauberin berühren würden. Dann biss sie sich auf die Lippe – nicht gerade zweifelnd, aber mit einer gewissen Unsicherheit.
Denn was hatte sie wirklich in ihrer Vision gesehen? Es war blitzschnell vorbei gewesen – ein kurzes, verzerrtes Bild. Sie hatte gesehen, wie die Herrin ihr entgegenkam auf den Fluten eines magischen Sees, von Nebel umgeben. Die Herrin hatte grüßend die Hand gehoben . . . und war plötz lich verschwunden.
Das war alles. War es wirklich das, was sie glaubte, das lange erwartete Willkommen? Oder nicht?
Und noch etwas beunruhigte sie. Etwas Grundsätzliche res . Schon seit einiger Zeit machte sie sich Sorgen um ihre besonderen Gaben als Seherin, Gaben, die ihr erlaubt hatten in sehr jungem Alter eine beachtliche Stellung und Macht zu beanspruchen. Visionen hatte sie seit ihrer Kindheit häufig gehabt – die erste, als sie nicht älter als drei war, hatte sie vor einem heftigen Hagelunwetter gewarnt. Doch seit neuestem schienen ihre Kräfte nachzulassen. Niemand außer ihr kannte die Wahrheit . . . aber bis zu dieser Vision von der Herrin hatte sie fast ein Jahr lang überhaupt keine gehabt. Mehr als alles andere hoffte Llynia, dass diese neue Vision ein Zeichen für die Rückkehr ihrer Kräfte war.
Llynia ballte die Hände zu Fäusten und biss die Zähne zusammen. Als die stets aufmerksame Fairlyn das sah, ließ sie Flieder- und Thymianduft wehen, um Seelenfrieden zu erzeugen und Sorgen zu lindern.
Langsam überkam
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