Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
unter seiner Kapuze. Das monströse Projekt war fast vollendet. Nur noch zwei Wochen waren zu bewältigen – vielleicht drei bei der Trägheit dieser Sklaven. Und wenn er sich dann von Merlins Stab Kraft geholt hatte, würde er den größten Traum seines Lebens verwirklichen. Mit Rhita Gawrs Hilfe würde er Avalon beherrschen, seine Feinde vernichten und Merlins Einfluss für immer ausschließen. Dann würde er diese Welt neu erschaffen – so, wie sie dem größten Hexenmeister aller Zeiten entsprach.
Plötzlich hustete die junge Elfe und rollte sich auf die Seite. Obwohl ihr Zopf voller Dreck und Blut war, leuchtete er immer noch. Der Mann im Umhang senkte die Hände und kam näher, aus dem Dunkeln beobachtete er sie. Nach weiteren Hustenkrämpfen öffnete sie die Augen.
Was sie zuerst sah, brachte sie fast zum Würgen. Gedärm, eine Blase und eine zerfetzte Leber, alles noch blutig, waren über das Felsgesims verstreut. Direkt darunterlag der ausgeweidete Kadaver eines jungen Keilers – nicht wegen seines Fleischs getötet, noch nicht einmal wegen der brutalen orangefarbenen Hauer, sondern zu einem viel abscheulicheren Zweck. Prophezeiung aus Eingeweiden! Sie hatte Geschichten von bösen Zauberern auf der Erde gehört, die diese Kunst praktizierten. Aber hier in Avalon?
Sie biss die Zähne zusammen und rollte sich herum. Da lag ihr Großvater! Reglos, wie versteinert. Sie kroch müh sam neben ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust, gerade unter seinen struppigen weißen Bart. »Atme, Großvater. Atme!«
Nichts.
Sie stützte die Hände auf seine Rippen und drückte – einmal, zweimal, dreimal. »Atme! Oh, bitte . . . atme.«
Immer noch nichts.
»Hör mal!«, brüllte Harlech. »Du drückst nicht fest genug. Probier es mal damit!«
Er trat mit dem schweren Stiefel dem alten Elf in die Brustseite. Mit ekelhaftem Krachen brachen mehrere Rippen. Der schmale Körper des Elfen flog hoch und landete hart auf dem Boden.
»Nein! Aufhören!«, schrie die Elfe und sprang auf, um Harlechs Bein festzuhalten.
Harlech wich ihr mühelos aus und näherte sich dem schlaffen Körper des Großvaters. »Noch ein Tritt und er ist erledigt.«
Er zog das Bein zurück, holte aus und trat noch einmal zu. Wieder flog der alte Elf in die Luft und stöhnte vorSchmerz, als er zurück aufs Sims fiel. Blut rann ihm aus dem Mund.
»Aufhören! Aufhören!«, schrie seine Enkelin und barg seinen verletzten Körper unter ihrem.
»Nur noch ein paarmal, Kleine.« Harlech stand über ihr, die Hand am Griff seines Rapiers. »Oder vielleicht ist es dir lieber, wenn ich mit meiner kleinen Klinge hier ein bisschen herumstochere.«
»Nein, nein, bitte.«
Harlech zog das Schwert. Sein Herz raste beim Anblick der Angst in ihren grünen Augen. Er hob die Klinge und fing Lichtfunken von Wasserwurzels Sternen auf.
»Nein!«, schrie sie.
Harlechs Schwert zielte direkt auf die Rippen des alten Elfen – und erstarrte plötzlich. Die Spitze hielt gerade über der Brust des Alten. Harlech versuchte den Arm zu bewegen – ohne Erfolg. Er fluchte, krümmte sich und stöhnte vor Anstrengung, doch unsichtbare Hände schienen ihn zurückzuhalten.
Eine Stimme krächzte aus dem Schatten bei dem Steinblock. »Schon gut, mein Harlech. Das reicht.« Eine weiße Hand winkte und der große Mann fiel rücklings um, sein Schwert klapperte auf das Sims. »Man könnte meinen, du wolltest den Armen
verletzen
.«
Die Elfe wandte sich dem Mann im Umhang zu, ihre Wangen waren nass von Tränen. »Wer bist du?«
»Jemand, der dir helfen kann«, kam die Antwort. »Hmmja.«
Sie schaute zurück zu Harlech, der leise vor sich hinfluchte, während er sein Schwert aufhob. Dann betrachtete sie misstrauisch die dunkle Gestalt. »Warum zeigst du dich nicht?«
»Ich habe meine Gründe.« Er senkte grimmig die Stimme. »Einst vor langer Zeit ging ich frei unter den Sternen. Und bald werde ich das wieder tun.«
Er hob den Kopf unter der Kapuze, als wollte er den Himmel absuchen. Dann murmelte er leise: »Wo
sind
diese Ghoulacas? Sie haben sich verspätet . . . allerdings nicht so sehr wie das Kind der Prophezeiung.«
Etwas an dieser Stimme und erst recht an den Worten ließ die Elfe schaudern. Doch wenn es irgendeine Möglichkeit gab, dass er ihren Großvater retten konnte – dann musste sie das herausfinden. »Du hast gesagt, du könntest helfen.«
»Ja, das kann ich, hmmja.«
»Und nicht so, wie du diesem Keiler dort drüben geholfen hast.«
Der Mann im Umhang
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