Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
heute ist Schluss mit dem Geheimnis. Heute werde ich herausbekommen,
wer er war.«
Denn Scree hatte eine Ahnung – einen Verdacht, der mit jedem Jahr stärker geworden war: Vielleicht war der Alte tatsächlich ein Zauberer? Und nicht nur irgendein Hexenmeister, sondern
der
Zauberer? Und sein Name war . . .
»Merlin«, sagte Scree in einem Flüsterton, der in der niedrigen Höhle ein schwaches Echo fand. »Und wenn das stimmt, dann ist dieses hier« – er bewegte wieder die Finger – »tatsächlich Merlins Zauberstab.«
Er schluckte. »Was bedeuten könnte . . .« Er senkte die Stimme vor Schreck über das Gewicht der eigenen Worte, »dass ich Merlins wahrer Erbe bin.«
In diesem Augenblick flackerte ein schwaches Licht den ganzen Stab entlang. Ein Licht, das tief aus dem Holz gekommen war.
Screes Herz schlug heftig. Er erinnerte sich, wie er den Stab zum allerersten Mal berührt hatte, in jener Nacht auf den schroffen Klippen. Als er mit der kleinen Hand das Holz umklammerte, hatte der Alte gesagt:
Versprich mir, dass du gut auf diesen Stab Acht gibst. Er ist kostbar – kostbarer, als du dir vorstellen kannst.
Und dann hatte er Scree flüsternd vom Kind der dunklen Prophezeiung erzählt, das Avalon zerstören könnte. Und vom wahren Erben des Zauberers, der stattdessen Hoffnungbringen konnte. Beide, hatte er gesagt, waren in diesem Jahr geboren – und er glaube, dass kein anderer das wisse.
Nun waren sowohl Scree wie Tamwyn in jenem Jahr geboren . . . aber im Lauf der Jahre war Scree immer mehr davon überzeugt, dass sein Bruder weder der eine noch der andere sein konnte. Tamwyn war einfach zu unschuldig und vertrauensvoll – von seinem Ungeschick ganz zu schweigen. Aber oft hatte er sich gefragt, wie es um ihn selbst stand. Könnte er möglicherweise einer der beiden sein, von denen die Prophezeiung sprach? Schließlich war er es, dem der Alte den Stock gegeben hatte. Und wenn er einer von beiden
war
, dann welcher? Zuweilen – besonders nachdem er seinen schrecklichen Fehler begangen und beinah den Stab verloren hatte – war ihm der Gedanke gekommen, er könne der Dunkle sein. Aber tief im Herzen hatte er sich immer nach der Rolle des anderen gesehnt, der Avalon so viel Gutes bringen konnte.
Denn der Alte hatte ihm noch etwas gesagt:
Auf das Kind, das ihn jetzt beschützt, und auf den Mann, der ihn eines Tages schwingt, wartet schreckliche, schreckliche Gefahr. Aber wenn schließlich der wahre Erbe des Zauberers erscheint – wird dieser Stab ihn erkennen . . . vielleicht bevor er sich selbst erkennt. Wenn er den Stab berührt und sagt: »Ich bin Merlins wahrer Erbe«, dann wirst du etwas Wunderbares sehen. Etwas wirklich Wunderbares!
Warum der Stab so lange gewartet hatte, bis er Anzeichen des Magischen zeigte, wusste Scree nicht – aber jetzt war, gleichgültig aus welchem Grund, die Zeit gekommen. EinSchweißtropfen rollte ihm über die Schläfe, während der Stab noch heller leuchtete. Als würde der Stock Screes Absicht ahnen, pulsierte sein Licht jetzt im Rhythmus des menschlichen Herzens.
Scree streckte die Finger näher zum Schaft. Er war jetzt bereit Merlins Stab zu nehmen und laut diese Worte zu sprechen – Worte, die so viel für das Schicksal von Avalon bedeuteten . . . und für sein eigenes.
21
Das Kind von Krystallus
T amwyn stand auf dem Hügel im Gras, das jetzt blassgelb unter den Sternen schimmerte, und betrachtete besorgt die Hufspuren eines Hirschs. Sie waren tatsächlich da, frisch und deutlich – und genau dort, wo er mit häm merndem Herzen durchs Tal gelaufen war. Aber waren es wirklich seine Abdrücke? Wie war das möglich?
»Träger!«, rief Llynia schnippisch von ihrem Platz am glimmenden Feuer. »Morgen musst du mir eine Route zeigen, auf der wir schneller nach Norden kommen. Die Zeit wird knapp.«
Widerwillig wandte Tamwyn sich von den Spuren ab – doch er schaute mehr als einmal darauf zurück. Er ging hinüber zu Llynia, kniete sich vor die erlöschenden Kohlen und verteilte sie mit seinem Dolch, damit keine Brise sie wieder anfachte. Dann schob er die Klinge in die Scheide und setzte sich der Priesterin gegenüber.
»Wenn du das willst, musst du mir genau sagen, wohin wir gehen.«
»Das ist lächerlich.« Sie schüttelte den blonden Kopf. »Auch wenn du weißt, wie man einen Drachen verjagt, bin doch ich immer noch die Anführerin dieser Gruppe.« Siesenkte die Stimme zu einem Knurren. »Selbst wenn ich hin und wieder ein bisschen Hilfe brauche.«
Tamwyn
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