Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
absolut.
Shim. Der kleine Kerl, nicht größer als ein Zwerg, der immer darauf bestanden hatte, dass er eigentlich ein Riese war. Eben ein sehr kleiner Riese! Er war einer von Merlins besten Freunden im versunkenen Fincayra gewesen. Und in Merlins erstem großen Kampf mit Rhita Gawr war es Shims heldenhaftes Opfer, das zum legendären Tanz der Riesen führte – und zu Merlins endgültigem Sieg.
Und in jenem Augenblick des Triumphs war mächtige Magie in die ungeheuren Steine gedrungen, dem Schauplatz von Shims Opfer – Steine, die später zum großen Tempel der Drumaner wurden. Das führte dazu, dass Shim nicht nur überlebte, sondern wuchs – so sehr, bis er nachseinen eigenen Worten
so groß wie der höchlichste Baum
wurde. So groß wie ein richtiger Riese.
Brionna schüttelte den Kopf. Diese Geschichte war immer eine ihrer liebsten gewesen. Aber sie hatte sich vor über tausend Jahren zugetragen! Jetzt gehörten Riesen zu den langlebigsten Geschöpfen Avalons. Jeder wusste das. Vielleicht hielten sie nicht so lange durch wie Leute mit Magierblut. Aber häufig lebten sie tausend Jahre lang oder mehr, und das war doppelt so lang wie Elfen – die wiederum doppelt so lang wie Avalons Menschen lebten.
Dennoch . . . wenn dieser Bursche wirklich Shim war, wie war er dann wieder so klein geworden?
Plötzlich biss Brionna sich auf die Lippe. Wenn das tatsächlich Shim war, dann hatte er viel Zeit mit Merlin verbracht. Der Tanz der Riesen war nur der Anfang ihrer gemeinsamen Abenteuer gewesen – Abenteuer, die sich sogar noch fortsetzten, nachdem die Bewohner von Fincayra ihre Flügel wiederbekamen und Avalon entstanden war. Hatte Großvater nicht gesagt, dass Shim sogar im Krieg der Stürme an Merlins Seite gekämpft hatte?
Und wenn er so oft Merlin gesehen hatte, dann hatte er doch auch oft Merlins Stab gesehen! Er könnte wissen, wie man ihn erkennt. Oder vielleicht sogar, wie man ihn gebraucht.
Vor Aufregung hämmerte Brionnas Herz. Mit einer anmutigen Bewegung stand sie unter der Fichte auf. Der kleine Kerl, der in den Kreis aus grünen Flammen zwischen den Findlingen gespäht hatte, sprang zurück. Aus rosa Augen funkelte er sie an.
»Was für ein fremdliches Geschöpf sein du, das wie ein höchlicher Baum aus dem Boden sprießen?«
»Ich bin nur eine Elfe.«
»Erst zwölfe, du sagen? Mir kommen du älter vor.« Er kratzte sich am Kopf unter den weißen Haaren. »Vielleicht haben ich dich nicht richtig gehören. Die Ohren vom alten Shim hören neuertags nicht mehr so deutlich.«
Brionna hielt den Atem an, als sie seinen Namen hörte. »Ich bin nur eine Elfe!«, rief sie laut, damit er es hören konnte. »Ich heiße Brionna!«
Er verbeugte sich so tief, dass seine Knollennase einen Fichtenzweig streifte. »Es freuen mich, dich kennen zu lernen, Shionna.«
»Brionna.«
Shim verbeugte sich wieder. »Rowanna.«
Sollte er sie doch nennen, wie er wollte! Aber seinen Namen wollte sie bestätigt haben. Sie rief ihm ins Ohr: »Bist du wirklich Shim? Der berühmte Shim?«
Die rosa Augen wurden plötzlich dunkler. »Das sein ich gewesen, ja, vor länglicher Zeit. Bestimmt, definitiv, absolut.«
Er schaute auf seine Füße hinunter und machte ein finsteres Gesicht. »Bis ich anfangen wieder zu schrumpeln! Ich wissen nicht, warum so etwas Grauseliges geschehen. Aber vor etwa siebzig Jahren fangen ich an zu schrumpeln. Und schrumpeln. Jetzt sein ich so kleinlich, dass viele Riesen, selbst solche, die mich früher Sir Shim den Mutigen nennen, nicht mehr erkennen. Oder mich gar nicht mehr sehen!«
Trotz ihrer eigenen Probleme war Brionna wider Willen von seiner Geschichte gerührt. Sie legte ihm die Hand auf die hängende Schulter. »Du bist immer noch ein sehr Mutiger.«
Beleidigt trat er zurück. »Ich werden immer kugliger? Das sein nichts Nettes für dich zu sagen.« Dann zeigte sich auf seinem Gesicht Entschlossenheit. »Ich sagen dir, was ich sein. Ich sein immer noch sehr mutig.«
Sie musste sich auf die Zunge beißen, um nicht herauszulachen. »Ich weiß, das habe ich dir doch gerade gesagt.«
»Deine Weiterreise sein vertagt?« Er schüttelte den Kopf. »Warum wollen du dann durch die Pforte, Rowanna? Pforten können gefährlich sein, verstehen?«
Brionna wagte nicht weiterzureden, sie schaute ihn nur an.
Shims Miene hellte sich auf. »Also, ich haben einen guten Grund.«
»Was?«, rief sie.
Er legte den Kopf schief. »Können ich dir trauen?«
Heftig nickte sie.
Er schaute vorsichtig nach
Weitere Kostenlose Bücher