Der Zauber von Avalon 01 - Sieben Sterne und die dunkle Prophezeiung
Vögel und noch vieles andere.
Das ist mehr als ein Wald
, dachte er, während seine nackten Füße über elastisches bläulich grünes Moos tappten.
Das ist eine Welt – so vielschichtig und mit sich selbst verbunden wie die Welt von Avalon.
Er atmete tief die duftende Luft ein und fragte sich, ob auch dieses Land von der gleichen Dürre heimgesucht worden war, unter der Steinwurzel litt. War es möglich, dass dieser üppigste, kraftvollste Wald, den er je gesehen hatte, tatsächlich trockener und in den Farben verblasster war als gewöhnlich?
Sekundenschnell nahm er die verschlungene Spur eines Hirschs auf. Trotz seiner vielen Prellungen spürte er einen jähen, intensiven Drang, nachzulaufen, die Beine zu strecken und zu springen. Aber er zwang sich den Drang zu ignorieren. Jetzt musste auf Menschenfüßen gegangen werden.
Die Spur führte sie bergauf. Die Äste wurden dünner, der Boden wurde fester und das Gehen leichter. Bald umgab sie der reiche, süße Duft von Honigfarn. Sie kamen an eine Lichtung, wo hohes Gras die Stämme einiger noch mit Beeren beladener Bergeschen kitzelte. Hinten in der Lichtung stand ein alter Kirschbaum, gebeugt vom Gewicht vieler Jahreszeiten.
Tamwyn streckte den schmerzenden Rücken. »Sollen wirhier kurz Rast machen? Nur um ein wenig auszuruhen oder eine Kleinigkeit zu essen.«
Henni, der stets für eine Mahlzeit zu haben war, stimmte sofort zu. Elli ebenfalls. Llynia, die nach ihrer Demütigung immer noch schmollte, sagte nichts. Fairlyn begann ein Gespräch mit einer älteren Fee, die im Stamm einer Esche lebte – nach ihrem angenehmen Duft zu urteilen ging es ihr dort gut. Und Nuic zog auf Nahrungssuche durch die Lichtung.
Während sie dasaßen, Beeren aßen (noch saftig, wenn auch ziemlich herb) und würzige Zahnwurz, die Nuic gefunden hatte, rutschte Tamwyn ständig hin und her. Bei all seinen Verletzungen konnte er einfach keine bequeme Sitzposition finden. Also stand er auf und ging ein wenig umher.
Bald bemerkte er einen sonderbaren Buckel am Kirschbaumstamm. Er sah aus wie ein knorriger Auswuchs, obwohl Tamwyn noch nie einen Auswuchs mit so vielen interessanten Knoten und Rissen gesehen hatte.
Er ging hinüber, um die Sache näher zu betrachten. Wäh rend er die Hand auf die gefurchte Rinde gerade oberhalb des Buckels legte, schaute er genauer hin. Plötzlich sprang er zurück. Der Auswuchs – und der Baumstamm drum herum – hatte sich bewegt!
Mit weit aufgerissenen Augen sah Tamwyn, wie der Buckel anschwoll und sich nach außen wölbte wie die Haut auf einem Topf mit heißer Milch. Allmählich bildete sich in der Mitte ein schmaler Wulst. Zu beiden Seiten sanken Spalten in die Rinde. Tief darin leuchteten rötliche Funken.Und am Boden des Gebildes erschien eine dünne Linie, die sich verlängerte und auf einer Seite herabhing.
»Ein Gesicht«, sagte Tamwyn verwundert. »Es ist ein
Gesicht
.«
Die dünne Linie des Mundes öffnete sich leicht und zeigte runzlige grüne Lippen. »Kein so glattes Gesicht wie deins, junger Mann, aber gut genug für mich, den Geist eines alten Baums.« Die Stimme knarrte und schnarrte wie Kirschenzweige im Feuer.
Tamwyn schaute zu den anderen drüben an der Esche und war versucht ihnen seine Entdeckung zu zeigen. Aber alle schliefen, Elli und Henni im Gras ausgestreckt und Llynia an Fairlyns Stamm gelehnt. Auch Nuic hatte die Augen geschlossen und machte es sich an Ellis Schenkel bequem. Dichter grauer Nebel zog über sie und bedeckte sie wie eine luftige Decke; er schien fast von den Bergeschen zu kommen . . . und trieb auf Tamwyn zu.
Der wandte sich wieder an den Kirschbaum. »Du musst sehr alt sein.«
Der Mund zog sich ein wenig nach oben und gab einen Ton wie schabende Rinde frei. »Knospen und Knorren, junger Mann! Älter als du, nehme ich an, aber ganz und gar nicht sehr alt. Im Vergleich zum großen Baum bin ich kaum ein Schössling! Nicht alt genug, um weise zu sein. Nur zum Traurigsein reicht es.«
Tamwyn beugte sich näher heran. Er gähnte, auch er hätte gern geschlafen. Um den müden Körper auszuruhen, lehnte er sich an den Stamm, achtete aber darauf, das Gesicht nicht zu berühren.
»Traurig, Meister Geist? Darf ich fragen, warum?«
Der alte Baum zuckte mit den Ästen und seine Blätter raschelten in einem Seufzer. »Weil in all den Jahren, die ich erlebte, junger Mann, auf den Winter immer der Frühling folgte. Aber jetzt, fürchte ich, wird der Frühling nie kommen.«
»Nie kommen?« Plötzlich fürchtete
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