Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
sie weiter Korn mahlte. »Hast du das gehört, Tamwyn? Wegen dieser einfachen Wahrheit konnten wir so lange verheiratet bleiben.«
»Wie lange?«, fragte Tamwyn.
»Achtunddreißig Jahre.« Mit einem Seitenblick auf ihren Ehemann sagte sie: »Obwohl es mir manchmal mehr wie fünfzig vorkommt.«
»Oder fünfhundert«, knurrte Gwirion. Zu Tamwyns Überraschung strahlte er Tulchinne an. Und noch überraschender, sie lächelte zurück.
Dass die beiden so gut gelaunt stritten, erinnerte Tamwyn an seine eigene Beziehung zu Elli. Ob sie eines Tages lernen würden, so gut miteinander auszukommen?
»Gwirion«, fragte er impulsiv, »wie schafft ihr beide es, dass es glückt? Achtunddreißig Jahre sind eine lange Zeit.«
Der Geflügelte antwortete in einem Ton, der vielleicht ernst, vielleicht aber auch scherzhaft war: »Es ist eigentlich einfach. Ich pfeife gern und sie kocht gern. So trägt jeder von uns auf seine Art zum Vergnügen des anderen bei.«
Tamwyn nickte; das könnte tatsächlich ein wertvoller Beitrag sein.
Dann schüttelte Tulchinne den Kopf. »So einfach ist es aber nicht. Er hat dir verschwiegen, dass ich schon immer Pfeiftöne liebte, aber wenn ich versuche, sie von mir zu geben
. . .
«Sie verzog das Gesicht. »Kleine Vögel fallen tot auf unsere Schwelle.«
Gwirion lachte. »Und ich rieche für mein Leben gern, was kocht, und genieße es, mich damit voll zu stopfen. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, ich kann einfach nicht kochen.«
Tamwyn schmunzelte über diese ironischen Mitteilungen. »Dann füllt ihr also gegenseitig eure Lücken wie zwei Teile einer ineinander passenden Schnitzarbeit.« Dann fragte er verständnislos: »Warum kannst du nicht kochen?«
»Er ist zu dumm dazu«, sagte Tulchinne, bevor ihr Mann antworten konnte.
»Das stimmt«, bestätigte Gwirion, »und dazu kommt noch etwas, das ich als Kind getan habe. Weißt du, ich habe versucht, ein paar brennende Kohlen zu essen, damit mein Seelenfeuer heller brennt. So etwas Unvernünftiges! Ich habe meine Zunge und Kehle für immer verletzt. Und diese Erfahrung hat mich zwar wahrscheinlich klüger gemacht, aber sie hat mir auch den Geschmacksinn zerstört.«
Mit seinen tiefbraunen Augen musterte er Tamwyn. »Es gibt also wirklich nicht viel, was ich dir über Beziehungen sagen kann. Außer dass es großartig sein kann, zusammenzubleiben, aber leicht ist es nicht immer.«
Mit einer Grimasse antwortete der junge Mann: »Das weiß ich auch schon.«
Den Rest des Tages übte Tamwyn angestrengt, ohne Hilfe und Stütze zu stehen. Schließlich gelang es ihm. Auch wenn er nur wenige Minuten auf den Beinen bleiben konnte, war es, wie Tulchinne gesagt hatte, ein Anfang. Und danachging es ihm bald besser. Am Ende des nächsten Tages hinkte er bereits unbeholfen über den rußigen Boden der Hütte.
»Warte nur, bis Gwirion sieht, wie du jetzt gehst«, sagte Tulchinne besorgt und erleichtert zugleich. Sie gab eine Prise zerdrückten Ingwer an den Salat, den sie am Tisch zubereitete. »Er ist bald zurück von seinem törichten Versuch, Ciann Vernunft beizubringen. Und dann wird er endlich bereit sein, andere Pläne zu machen.«
Tamwyn lehnte sich an die Wand und ruhte sich aus. »Ich bin auch bereit.«
»Es wird auch Zeit.« Fraitha legte die Bernsteinflöte zur Seite, auf der sie gespielt hatte. »Der hohe heilige Tag ist morgen.«
In diesem Moment kam Gwirion herein. Mit einem lauten Knall schloss er die Tür hinter sich. »Verdammte Idioten«, knurrte er. Dann klagte er, zu Tulchinne gewandt: »Du hattest schon wieder Recht. Die Rituale beginnen im Morgengrauen.«
»Einschließlich des Opfers?«, fragte Tamwyn ernst.
»Ja. Und Ciann hat mir auf seine hämische Art gesagt, dass er vor dem Morgengrauen hier vorbeikommen wird.
Um etwas Wertvolles zu holen
, wie er sich ausdrückte.«
»Dieser Schwachkopf!«, rief Fraitha.
»Und bald ein Mörder«, fügte Tulchinne hinzu, »wenn wir keine Möglichkeit finden, ihn davon abzuhalten.«
Gwirion rieb sich die raue Stirn. »Da sind wir am Vorabend von Wynerria und haben Angst vor unseren eigenen Leuten! Warum können sie nicht verstehen, dass Opfer inden Augen Dagdas nur unsere Wertlosigkeit bestätigen? Statt neue Geschichten zu erzählen, haben wir nur Zorn und Ignoranz zu bieten.«
»Gwirion«, sagte Tamwyn, »ich kann jetzt allein gehen! Gleich nachdem du weg warst, habe ich angefangen.« Zum Beweis durchquerte er ungeschickt die Hütte.
Gwirion machte große Augen. »Dann musst du heute
Weitere Kostenlose Bücher