Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
ich dich über diesem Feuerschlot rösten und mit einer Prise verkohlter Flechte würzen würde.« Er leckte sich die trockene Unterlippe. »Bestimmt ziemlich gut.«
Dann runzelte er die Stirn. »Aber heute werde ich das vermutlich nicht feststellen. Denn nach allem, was ich weiß, könntest du das Letzte deiner Art sein.«
Abrupt rollte er herum und lockerte seinen Griff. Das überraschte Geschöpf zögerte einen Augenblick, dann beeilte es sich, in einem Spalt unter einem Stein zu verschwinden.
Scree sprang wieder auf die Füße und machte sich erneut auf den Weg. Er wanderte zum Kamm hinauf und folgte der Spur einer jetzt trockenen Schwefelquelle. Bei jedem Schritt stiegen gelbe Staubwölkchen hoch.
Er schlug einen Bogen, um einer brodelnden Aschengrube auszuweichen, in der schaumige graue Flüssigkeit gurgelte und blubberte. Vom Kamm rutschte er in einer dünnen Rinne aus Obsidian hinab, die so glatt wie schwarzes Glas war. Unten landete er auf den Füßen und schaute hinauf zu dem nächsten Bergkamm vor sich. Groß wie der Rücken eines Feuerdrachen und dunkel von feuergeschwärzten Felsen ragte er auf.
Hinter dem Kamm befanden sich, wie Scree wusste, die Angehörigen des Bram Kaie Clans. Sie waren ihm an Zahl weit überlegen, daran gab es keinen Zweifel. Er musste sieüberraschen. Und selbst dann würde ihm nur eine Chance zum Erfolg bleiben.
Plötzlich hörte er einen fernen Schrei und dessen Echo über den Vulkangipfeln. Er duckte sich gerade noch in den Schatten eines verkohlten Felsblocks, als eine Gruppe von vier Kriegern, alle mit schwarz gesäumten Flügeln und roten Beinstreifen, aus einer Aschenwolke segelten. Sie kreischten triumphierend und stießen dann auf den geschwärzten Kamm hinab. Aber Scree hatte gesehen, was sie trugen – etwas so Großes, dass zwei von ihnen es in ihren Krallen transportieren mussten.
Es war eine Leiche, mit Blut beschmiert von der Spitze der schlimm zugerichteten Flügel bis zu den Stümpfen der verletzten Beine. Der Leichnam einer Adlerfrau.
Eine übel riechende Rauchwolke wehte vorbei und brannte Scree in den Augen. Er vertrieb sie mit einer Handbewegung und versuchte einen besseren Blick auf das Geschehen zu bekommen. Da waren die Krieger bereits hinter dem Kamm verschwunden. Aber er hatte schon genug gesehen.
Wütend fuhr er mit der Hand durch die Luft. Und dann, jeden Muskel angespannt, begann er zu klettern. Er hielt sich im Schatten und bewegte sich so unauffällig wie möglich. Denn sein Ziel war der Ort, wo Quenaykha regierte, der Ort, an dem er sich höchst wahrscheinlich im letzten Kampf seines Lebens schlagen würde.
17
Erinnerungen an Avalon
B evor Tamwyn die Schriftrolle seines Vaters gelesen hatte, schmeckte er nur die wunderbare Süße des Wassers aus der Quelle, die in der großen Halle entsprang. Doch jetzt hatte er einen anderen Geschmack auf der Zunge – einen bitteren.
Er glättete das zerknitterte Papier und rollte es wieder auf. Dann band er die Locke seines Vaters um die Rolle und schob sie tief in sein Bündel. Dabei streiften seine Finger die Harmónaplatte. Selbst auf eine so zarte Berührung antwortete das magische Holz mit einem Summen, als wären die Saiten einer Baumharfe gezupft worden. Die Fasern sangen mehrere Sekunden lang und der Ton hallte so intensiv nach, dass die winzige Quarzglocke an Tamwyns Hüfte vibrierte und ein Echo von sich gab.
Tamwyn verzog nur das Gesicht und zog die Lasche seines Bündels zu. Der Harfenton weckte die Gedanken an Elli und das Gefühlswirrwarr, das sie in ihm auslöste. Und die Glocke ließ ihn an Scree denken – die Jahre, in denen er ihn in der Wildnis von Steinwurzel gesucht hatte, die Begeisterung, einander endlich gefunden zu haben, und jetzt der Trennungsschmerz.
Er fuhr sich mit der Hand durch die schwarzen Haare.
Sieht aus, als könnte ich niemanden lange bei mir behalten. Weder Elli oder Scree, noch meine Mutter.
Er betrachtete die kleine Holzschachtel, in der die Schriftrolle gelegen hatte.
Noch meinen Vater.
Er langte hinüber zu Flederwisch, der im smaragdgrünen Moos bei der Quelle saß. Mit einem Finger kraulte er dem Geschöpf den Kopf, der immer noch tropfnass vom Trinken im süßen Wasser war. Sofort zuckten die trichterförmigen Ohren, während die grünen Augen hell leuchteten. Flüsternd fragte Tamwyn: »Wie steht’s mit dir, mein kleiner Freund? Wie lange wirst du es beim Kind der dunklen Prophezeiung aushalten?«
Flederwisch versteifte sich. »Was soll dieses
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