Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
ihre silbrigen Locken wippten bei jedem Schritt.
Rhia.
Selbst ohne ihren Anzug aus gewebten Ranken oder den dicken Schal, der sich bauschte, wo er ihre zarten Flügel bedeckte, hätten Tamwyn und Elli sie sofort erkannt. Die Anmut ihres leichten Schritts, die Lachfalten um ihren Mund und der Ausdruck einzigartiger Weisheit, das alles sprach für die Herrin vom See.
»Nun, meine Kinder«, sagte sie, als sie bei ihnen war. »Esist eine Freude, wirklich eine Freude, euch wiederzusehen.«
Sie hielt inne, während zwei winzige Leuchtfliegen von ihrem Handgelenk aufstiegen. Die funkelnden Geschöpfe umkreisten sie einmal, dann setzten sie sich in ihr Haar zu Dutzenden anderer, deren Licht die Locken leuchten ließ.
Als Rhia sah, dass ihre kleinen Freunde gelandet waren, fuhr sie fort: »Ihr wart gut, jeder auf seine Art. Du, Tamwyn Eopia, hast deine Großtante sehr stolz gemacht.«
Trotz allem lächelte Tamwyn.
»Und du, Elliryanna Lailoken, warst ebenso gut.« Rhia berührte sanft das Kinn der jungen Frau. »Wenn ich eine Tochter gehabt hätte«, flüsterte sie, »dann hätte ich mir eine wie dich gewünscht.«
Aber Elli lächelte nicht. »Dein Kristall«, sagte sie zögernd. »Ich musste ihn – zerstören.«
»Ich weiß, mein Kind. Du hast getan, was für Avalon nötig war.«
Ihre graublauen Augen strahlten Güte aus. »Dank dir werden viele bemerkenswerte Geschöpfe in Freiheit und mit Würde weiterleben.«
Elli lächelte immer noch nicht. »Aber ohne die Kraft des Kristalls wirst du … sterben.«
»Das stimmt.« Rhia beugte sich näher. »Aber viele andere Wesen werden weiterleben – auch das neue saphirblaue Einhorn.«
Elli stockte der Atem. »Das neue Einhorn? Dann hatte das saphirblaue Einhorn, das wir auf Hallias Gipfel sahen …«
»… schon geboren. Ja, ein gesundes, schönes, weibliches Einhorn. Ich habe es noch nicht gesehen – schließlich ist es das Geschöpf, das die Barden
die flüchtigste Schönheit aller Länder
nennen. Aber ein wandernder Weidengeist hat mir erzählt, dass er das junge Einhorn durch eine Lichtung in El Urien flitzen sah.«
Rhias faltiges Gesicht strahlte wie ihre silbrigen Locken. »Also, mein Kind, hat das, was du getan hast, Avalon eines seiner schönsten Geschöpfe bewahrt, das alles verkörpert, was selten und wunderbar ist in unserer Welt.«
Endlich zeigte Elli die Andeutung eines Lächelns, auch wenn es ein trauriges war. »Wenn ich nur hierbleiben und es sehen könnte!«
»Ich weiß«, sagte die Ältere zärtlich. »Dir wird vieles von Avalon fehlen. Genau wie mir nach dieser Saison der großen Verluste.«
Elli verkrampfte sich. Denn sie verstand genau, was Rhia ihr sagte. »Coerria! Ist sie gestorben?«
»Friedlich. Als ich schließlich bei ihr war, konnte ich ihr nicht mehr helfen. Aber wir sprachen ein paar Augenblicke miteinander. Und selbst am Ende war viel mehr Liebe als Trauer in ihrem großen Herzen.«
Die junge Priesterin starrte vor sich in den Schlamm.
»Sie hat mir etwas gegeben, Elli. Etwas für dich.« Rhia holte unter ihrem schweren Schal ein kleines Bündel hervor. Es schimmerte mit dem üppigen Glanz der Spinnenseide.
Als Elli aufschaute und sah, was es war, legte sie überrascht die Hand auf den Mund. Denn das Gewand derHohepriesterin war unverkennbar. Vor tausend Jahren von der großen Elusa gewoben, von Elen der Gründerin ebenso getragen wie von Rhia, bargen die Seidenfäden des Gewands viel von Avalons Geschichte. Und auch viel von seiner Schönheit.
»Für – für mich?«, stotterte Elli.
»Ja, mein Liebes. Für dich. Sie wollte, dass du es bekommst. Ich musste ihr versprechen, es dir und keiner anderen zu bringen.«
Llynia, die etwas abseits stand, biss sich auf die Lippe und wandte sich ab.
Elli nahm das Bündel. Sie wog es in der Hand und war überrascht, wie überaus leicht es schien. Ihr Blick begegnete wieder dem von Rhia. »Ich danke sehr. Euch beiden.«
Dann runzelte sie die Stirn bei ihrer Frage: »Was wird aus Uzzzula? Wenn sie Coerrias lange weiße Haare nicht mehr flechten kann, wird sie nicht wissen, was tun.«
Rhias Lächeln zeigte sich nur in den Mundwinkeln. »Sie wird eine andere Beschäftigung finden, Bienenstockgeistern fällt das nie schwer. Aber wie du und ich wird sie ihre Freundin schrecklich vermissen. Das war schon immer so, wenn Priesterinnen oder Priester von ihren Marythen getrennt werden.«
»Hmmmpff«, meldete sich der Tannenzapfengeist auf Ellis Schulter. »Weinerliche, sentimentale
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