Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
veränderte Belamir seine Gestalt und stürzte sich auf den unglücklichen Mann. Der hatte keine Zeit zuschreien. So schnell bewegte sich der Wechselbalg, dass noch nicht einmal die scharfsichtige Brionna mehr sah als ein verschwommenes Bild von Klauen, Fängen und sprudelndem Blut.
Drei Sekunden später lag der verstümmelte Körper des Wachmanns ausgestreckt auf dem Boden. Und der liebenswürdige alte Mann im Gärtnerkittel stand wieder vor der Zelle und schnaufte nur ein wenig angestrengter als zuvor. Doch jetzt waren alle Spuren von Freundlichkeit aus seinem Gesicht verschwunden.
»Elende Narren«, zischte er. »Ihr alle! Menschen, so leicht von Arroganz und Gier verführt. Elfen, so blind für die Welt außerhalb ihrer Grenzen. Adlervolk, so voller Stolz und übertriebenem Ehrgefühl.«
Er spuckte auf den blutbesudelten Boden. »Das halte ich von euch allen! Und bald wird es nicht mehr wichtig sein, was ich denke, denn Kulwych und ich werden euch alle ausnahmslos vernichten.«
Er beugte sich näher, Speichel tropfte von seinen Lippen. »Ihr haltet euch für so intelligent! Für so überaus klug! Doch ein einziger Wechselbalg ist klüger als ihr alle zusammen! Wie sonst hätte ich diese ganze Siedlung geschaffen? Und diese Bewegung, diese Verhöhnung menschlicher Überlegenheit? Wie sonst, guter Priester, hätte ich deine frühere Kollegin Llynia dazu gebracht, meinen Befehlen zu gehorchen?«
Mit einem zufriedenen Lächeln verbeugte er sich galant. »Jetzt, liebe Gäste, muss ich von euch scheiden. Ich lasse euch lieber hier in all eurem Elend sterben, als dassich euch sofort töte.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die Lippen. »Denn bald werde ich das Vergnügen haben, viele euresgleichen umzubringen – auf den Feldern von Isenwy.«
Damit drehte sich der Wechselbalg um und stieg die Steinstufen hinauf, wobei er absichtlich humpelte wie ein alter Mann. Brionna und Lleu schauten ihm nach, fassungslos über das, was sie gesehen und gehört hatten. Schließlich sanken sie wieder auf den Boden. Shim, der genug gesehen hatte, um zu verstehen, schüttelte nur verdrießlich den Kopf.
Eine lange Zeit verging, ohne dass jemand etwas sagte. Die Niedergeschlagenheit der Gefangenen nahm zu und füllte die Zelle wie dicker Nebel. Selbst der Schatten rundum schien sich zu verdunkeln.
Schließlich meldete sich Shim. Er redete nicht von Wechselbälgen. Oder Schlachten. Oder grausamen Schicksalsschlägen.
»Ich sein hungriglich«, stöhnte er. »Sehr, sehr hungriglich.«
Brionna sah ihn finster an. Doch sie war hilfsbereit genug, in ihrer Tasche zu kramen und ein kleines Stück elfischer Wegzehrung herauszuholen. Sie hielt es dem kleinen Kerl hin und sagte: »Hier. Mein letztes Stück.«
Shim sah sie dankbar an.
Brionna gab sich Mühe zu lächeln und setzte hinzu: »Für meinen Lieblingsonkel.«
Auch wenn er ihre Worte vielleicht nicht gehört hatte, verstand er jedenfalls die Geste. Er machte große Augenbeim Anblick der Nahrung, auch wenn es nur ein Bröckchen war. Offenbar vergaß er seine Schmerzen, nickte eifrig und streckte die Hand aus.
Da zog Brionna den Arm zurück. Sie drückte ihre Wegzehrung an die Brust.
Shim verzog das Gesicht. »Also, also, Rowanna. Das sein grausamlich, was du tun.«
»Er hat recht«, brummte der Priester von seinem Platz an der Wand. »Das sieht dir gar nicht ähnlich, Brionna.«
»Ich habe eine Idee«, erklärte sie eindringlich.
Auf allen vieren kroch sie an das Ameisenloch und legte einen winzigen Krümel ihrer Wegzehrung an die Kante. Sofort tauchte eine große Ameise mit kräftigen Scheren auf, schnappte den Krümel und fiel zurück ins Loch.
Ihre Gefährten sahen verblüfft und (in Shims Fall) enttäuscht zu, wie sie die Wegzehrung weiter zerkrümelte. Dann stand sie auf, ging zur Zellentür und legte die Brosamen rund um den Eisenriegel, wobei sie die Krümel selbst in kleinste Ritzen steckte. Einige schob sie in die Löcher für die Haken, die den Riegel an der Tür befestigten. Schließlich ging sie zurück zum Ameisentunnel auf dem Boden und warf die letzten Brosamen ihren Weg entlang.
Sowie sie den allerletzten Krümel an den Rand des Lochs gelegt hatte, kamen mehrere Ameisen heraus, Dutzende folgten, sie schienen wie berauscht von der Aussicht auf so viel Nahrung. Während Shim ängstlich aufschrie und auswich, durchquerten die aggressiven Ameisen schnell den Raum und stiegen die Tür hinauf, wobei ihre Scheren jeden Krümel ausgruben, den sie finden
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