Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
beobachteten ihn vorsichtig, in ihren Adleraugen schimmerte das rote Licht von Feuerwurzels Himmel.
Er hob die breiten Flügel und schlug damit durch die Luft, nicht stark genug, um aufzusteigen, doch genug, um anzuzeigen, dass er gleich sprechen werde. Dann gab er seinen ersten Befehl als Führer dieses Adlervolks.
»Eins müssen wir tun, bevor wir fliegen«, erklärte er, seine Stimme hallte über den Vulkankamm. »Wir werden einen traditionellen Grabhügel bauen. Für eure gefallene Führerin Quenaykha und auch für die Frau, die auf ihren Befehl getötet wurde.«
Vom Rand der brodelnden Lavagrube bei seinen Füßen hob er eine blutige Feder mit schwarzer Spitze auf. Es war alles, was vom anderen Führer des Clans, von Maulkee, übrig geblieben war. Niemand außer Scree wusste, dass Maulkee sein eigener Sohn gewesen war – ein Sohn, den er nie gekannt hatte außer bei ihrem Kampf auf Leben und Tod. »Und«, fügte Scree grimmig hinzu, »wir werden diese Feder mit ihnen begraben.«
Murren wurde ringsum laut, während die Dorfbewohner ihn überrascht, manche auch zornig anstarrten. Selbst der narbige Krieger Cuttayka, der gerade Scree als Führer unterstützt hatte, betrachtete ihn zweifelnd.
Doch Scree blieb ungerührt. »Warum, wollt ihr wissen? Warum sollen wir Lebenden uns anstrengen und Steine schleppen für diese Toten?« Aus gelb umrandeten Augen schaute er sie streng und stolz zugleich an. »Weil sie zu unserem Volk gehörten, so falsch sie auch gelebt haben mögen. Und wir sind vor allem ein Volk mit
Ehre
.«
Viele in der Menge traten verlegen von einem Fuß auf den anderen, denn sie wussten, dass es ihm auf mehr ankam als auf einen Grabhügel: Sie sollten sich daran erinnern, wer sie wirklich waren und welche Traditionen sie so lange verleugnet hatten. Im Grunde forderte er sie auf, wieder ein echtes Adlervolk zu werden.
Der Wind kam in Stößen und wehte schwarze Ascheflocken über den Kamm. Zugleich zog Scree die Flügel zurück. Doch statt sie hinter seinem Rücken zu falten, nahm er Menschengestalt an, die Schwingen wurden zu muskulösen Armen, Federn verwandelten sich in Haut und Klauen schrumpften zu Zehennägeln. Dann bückte er sich und riss einen versengten Steinbrocken aus dem Boden. Er drehte den Dorfbewohnern den Rücken zu und schleuderte den Stein auf einen leeren Platz. Der Stein wirbelte beim Aufprall Asche hoch und rollte dann zu einem Halt bei einem zischenden Feuerschlot.
»Dort«, erklärte Scree. »Wir bauen das Grab dort.«
Cuttayka schob einen Moment den kantigen Kiefer vor, dann nahm auch er Menschengestalt an. Er packte seinen Speer und schlug mit dessen Ende auf den Boden. »Nun?«, fragte er die Menge. »Worauf wartet ihr? Je früher wir mit diesem Hügel anfangen, umso früher ist er fertig.«
Mit einem loyalen, aber bestimmt nicht freundlichen Blick auf Scree nahm auch er einen Stein und trug ihn hinüber zu dem ersten. Ein Dorfbewohner nach dem anderen folgte. Bald begann die anstrengende Arbeit.
Mehrere Männer, darunter Scree und Cuttayka, hoben eine breite Grube aus. Während ein schwefliger Wind über den Kamm blies, legten sie die beiden übel zugerichteten Körper hinein, die Arme weit ausgestreckt, wie es ihrer Tradition entsprach. Nachdem Scree Maulkees Feder hinzugefügt hatte, breiteten die Dorfbewohner eine Schicht Federn junger Adler darüber. Dann kamen Hunderte Eimerladungen Erde, Bimsstein und Asche. Schließlich setztendie stärksten Männer und Frauen einen schweren Stein nach dem anderen auf den Hügel und arrangierten sie in Form eines ausgestreckten Flügels.
Niemand sang traurige Lieder, wie es die Bewohner von Arc-kayas Dorf getan hatten, als ihr Hügel fertig war, doch die Leute traten zurück und betrachteten, was sie gemeinsam gebaut hatten. Eine Frau mit einem silberhaarigen Kleinkind an der Hand senkte ernst den Kopf und sagte: »Möge unser Volk wieder aufsteigen.«
Als Scree das hörte, erinnerte er sich an Arc-kayas Segen:
Hoch hinauf, frei hinaus.
Sein Blick fiel auf seinen Knöchel und das Band aus glänzendem grauen Haar, das er da trug. Als ein neuer Windstoß über den Kamm fuhr, musterte er die Adlermenschen rundum; auf ihren Schultern glänzte der Schweiß von ihrer gemeinsamen Arbeit.
Einige wichen seinem Blick aus. Einige schauten weiter finster drein. Doch andere nickten ihm grimmig zu oder sahen ihn wissend an. Er war sich nicht sicher, doch es kam ihm vor, als läge jetzt noch etwas anderes außer Schwefelschwaden in der
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