Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
Lederbänden, die in Haufen um sie herum lagen.
»Mut ist nicht meine Stärke«, erklärte er mit seiner rauen Stimme. »Aber im Buch meines Lebens ist das jetzt eine Seite, die ich wirklich schreiben muss.«
»Also«, fragte Elli, »bringst du uns zu Kulwychs Mine?«
»Borvo Lugna.« Er streckte den krummen Rücken, so gut es ging. »Ich bringe euch hin, ja.«
Nuic verlagerte sein Gewicht auf Ellis Arm und verdunkelte sich von blau zu schwarz. »Es gibt etwas, das du uns nicht sagst.« Seine glänzenden violetten Augen betrachteten forschend den alten Bibliothekar. »Etwas Wichtiges.«
Grikkolo nickte, dass seine weiße Mähne auf dem Kopf wippte. »Deine Augen sind schärfer als ein Federkiel, Meister Kobold, obwohl du noch älter bist als ich.«
»Hmmmpff. Nur keine Komplimente. Also, was ist es, das du uns nicht erzählt hast?«
Der Elf schaute zum Eingang der Bücherei. »Sobald wir aus diesem Gebäude treten …« Er senkte die Stimme zu einem rauen Flüstern, »… müssen wir in völliger Finsternis wandern.«
Elli berührte ihr Amulett aus Eichen-, Eschen- und Weißdornblättern – und den strahlenden Kristall in der Mitte. »Du meinst, ich muss dieses Licht dämpfen?«
»Nein. Ich meine, du musst es
löschen
.«
Sie verzog das Gesicht, ließ das Amulett los und wickelte sich besorgt eine Haarsträhne um den Finger. »Warum?«
»Gobsken lauern überall in der Nähe von Minen. Besonders, fürchte ich, bei der Mine, zu der ihr gehen wollt.« Er holte langsam, stoßweise Atem. »Einige meiner eigenen Leute können auch dort draußen sein. Und wenn wir außerhalb dieser Bücherei irgendwelche dunklen Elfen treffen, Überlebende des Kriegs, werden sie wahrscheinlich euer Licht verabscheuen – und versuchen euch zu töten.«
Grikkolo runzelte die Stirn, Falten zogen sich über sein Gesicht wie die Schrift über eine Manuskriptseite. »Die einzigen Geschöpfe dort draußen, die vor eurem Licht fliehen werden, sind die Todesträumer. Und manchmal verscheucht sie noch nicht einmal Licht. Ich werde bei jedem Schritt nach ihnen Ausschau halten, denn sie verfügen über eine schreckliche Macht.«
»Furchtbar«, flüsterte Elli, sie dachte zurück an ihren Traum von den sanften, beruhigenden Wellen, die beinah ihr Leben weggespült hätten.
»Ja«, erklärte Grikkolo, »wir können nur hoffen, dieseWanderung zu überleben, wenn ihr euch ganz auf meine alten Augen verlasst.«
Nuic streckte die winzige Hand aus und tätschelte Ellis Unterarm. »Du entscheidest, Priesterin.«
Sie schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie dunkel es ohne ihren leuchtenden Kristall sein würde.
Welch ein Irrsinn! Ohne irgendein Licht durch das Reich ewiger Nacht zu wandern? Und doch, wenn ich Avalon helfen will – und vielleicht auch Tamwyn –, dann ist es das, was wir tun müssen.
Sie öffnete die Augen und schaute durch den weiten Kuppelraum. Direkt hinter dem Rand des Sichtbaren – all der zerbrochenen Regale und Bücherstapel – lagen Schatten, dunkler als alle, die sie gesehen hatte, bevor sie nach Lastrael gekommen war. Die Schatten schienen sich zu verdichten, zu sammeln, nur auf den Moment zu warten, in dem sie das Licht löschte.
Elli richtete ihre Gedanken auf den Élanokristall.
Werde dunkel, mein Gefährte. Und hoffe einfach, dass ich keinen schrecklichen Fehler mache.
Plötzlich wurde der Kristall dunkel. Jeder Strahl seines Lichts, jeder Schimmer seiner Facetten verschwand. Es geschah so unerwartet, als hätte die Welt plötzlich aufgehört zu bestehen. Und vielleicht, dachte Elli, kam es auch bald dazu.
Finsternis. Totale, absolute Finsternis. Das war alles, was sie wahrnahm, abgesehen vom ständigen Hämmern ihres eigenen Herzschlags.
»Hier.« Der alte Elf drückte ihr etwas in die Hand. »Der Gürtel meiner Tunika. Halte ihn beim Gehen fest. Und horcheauf jede Veränderung meiner Schritte, damit du weißt, wann ich eine Biegung mache, bergauf gehe oder …«
»… wann du um dein Leben rennst«, schaltete Nuic sich ein.
»Oder das.« Grikkolos Stimme war plötzlich nüchtern. Elli spürte einen neuen Zug an seinem Stoffgürtel und nahm an, dass er sich umdrehte. »Ade, meine Freunde«, sagte er mit großer Zärtlichkeit.
Zuerst überkam Elli Verwirrung. Und Angst.
Spricht er mit mir?
Dann erkannte sie, was der Elf wirklich machte.
Er nimmt Abschied von all diesen Büchern.
Grikkolo seufzte, wie nur jemand seufzen kann, der die besten Freunde seines Lebens verlässt.
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