Der Zauber von Avalon 03 - Die ewige Flamme
diskutiert, ob und wie auf die Bitte der Gobskenarmee um eine Verhandlung reagiert werden sollte. Viele vermuteten eine Falle, doch andere waren entschieden der Meinung, dass die Bitte nicht abgelehnt werden sollte. Die erregten Debatten führten bald zu wütenden Streitigkeiten und Handgemengen und hätten ein völliges Chaos hervorgerufen, wenn nicht drei geborene Führer aufgetreten wären.
Kerwin, ein Adlermann mit Federn so braun wie die umgebende Ebene, war der Erste, der die ungestümen Verbündeten zur Ruhe brachte. Er hatte nur dadurch Erfolg, dass er mit ausgebreiteten Flügeln direkt über die Köpfe flog und seinen warnenden Adlerschrei ausstieß. Als die Menge schließlich schwieg, schwor Kerwin, dass er mit seinen Krallen jeden zerreißen werde, der nicht höflich erst dann rede, wenn er an der Reihe sei. Diese Drohung und sein Ruf als Krieger von enormer Kraft (und ausnehmend wenig Geduld) hatte Erfolg. Kerwin schwebte über der Gruppeund rief nacheinander die Redner auf. Und so sagten Menschen, Elfen, Adlermenschen, Marythen und sogar Feen ihre Meinung – Geschöpfe aller Art außer den Flamelons, die sich von den anderen abgesondert hatten. Denn für die Flamelons war die Vorstellung, zu verhandeln, ein Zeichen großer Schwäche, zu widerwärtig, um überhaupt darüber nachzudenken.
Dann trat ein zweiter Anführer auf: Lleu, der Drumanerpriester, weithin bekannt als der zuverlässige Vertraute der Hohepriesterin Coerria. Mit dem silbrig geflügelten Falken Catha auf der Schulter gab er ruhig und einleuchtend zu bedenken, dass es ein Fehler wäre, keine Vertreter zur Verhandlung zu senden. Selbst wenn es eine Falle sein sollte, müssten kluge Delegierte nicht hineinfallen. Es bestand sogar eine Chance, dass sie etwas Wertvolles lernten. Und schließlich, Lleu erinnerte alle daran, gäbe es immer noch eine – egal wie kleine – Möglichkeit, dass diese Verhandlung zum Frieden führte. Dass dieses Treffen unnützes Blutvergießen vermeiden könne.
»Dann lasst uns direkt nach der Verhandlung angreifen«, erklärte Brionna, die als Nächste sprach. Sie schwenkte ihren Langbogen in der Luft. »Dann wollen wir sie mit unserer Wildheit als Krieger überraschen.«
Sie wartete, bis der Beifall und die vielen Zurufe verklangen. »Auch ich hätte viel lieber Frieden, aber ich habe es aufgegeben, darauf zu hoffen. Dieses Heer, dem wir heute gegenüberstehen, hat nur ein Ziel: uns völlig zu besiegen, damit Avalon von den Dienern Rhita Gawrs regiert werden kann – und von Rhita Gawr selbst.«
In erschreckend ernstem Ton fuhr sie fort: »Und deshalb, liebe Leute, lasst uns noch eins tun. Wenn diese Verhandlung vorbei ist, gebt alles, was ihr habt, um unsere Welt zu retten. Ja, sogar euren letzten Atemzug! Denn wenn wir wirklich bereit sind, heute hier zu sterben, können wir siegen und das Heer von Rhita Gawr zerstören. Aber selbst wenn wir nicht siegen, werden wir bei der Verteidigung von Avalon sterben. Und Avalon verdient nichts Geringeres.«
»Das sind Worte, die von großer Ehre sprechen«, rief Kerwin, während er über Brionnas Kopf kreiste.
Damit war die Sache geregelt. Kurz darauf wurden drei Personen als Vertreter der Verteidiger von Avalon bei der Verhandlung gewählt: Kerwin, Lleu und Brionna. Und so marschierten diese drei in die Ebenen von Isenwy, vom Adlermann angeführt – der jetzt in seiner Menschengestalt war, wie es den traditionellen Verhandlungsregeln entsprach. Sie schwiegen. Das einzige Geräusch, das sie neben den Windstößen hörten, war das Patschen ihrer Füße im Schlamm.
Sobald sie auf das Heer der Gobsken zugingen, kamen ihnen die Vertreter ihrer Gegner entgegen. Auch sie waren zu dritt. Voran stolzierte Harlech mit der weißen Fahne an einem Speer. Doch während er das Symbol einer friedlichen Verhandlung trug, war sein Gesichtsausdruck so hart wie das Metall seines Breitschwerts. An seinem breiten Ledergürtel hingen dieses Schwert, dazu ein Beil, zwei Dolche und eine Pickelkeule. Etwas hing auch an der Schnur um seinen Hals – es war wie eine Kralle gefärbt und leuchtete unheimlich.
Aber als Brionna sich ihm näherte, bemerkte sie nichts von diesen Dingen. Sie dachte nur über eine andere Waffe nach, die Peitsche des Sklaventreibers, die mit einer Eisenspitze versehen gewesen war. Zorn überkam sie und ließ die Adern in ihren Schläfen klopfen, während sie sich erinnerte, wie Harlech während ihrer Gefangenschaft diese Peitsche an ihrem wehrlosen Großvater
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