Der Zauber von Savannah Winds
war.
Sie ließen sich nieder und beobachteten, wie das Feuer allmählich herunterbrannte. Über ihnen leuchteten die Sterne. Der Anblick war atemberaubend. Die breite Milchstraße spannte sich über den Himmel, Orion funkelte dahinter, und das Mondlicht vergoldete Bäume und Büsche.
»Benuk hat mich immer mit seinen Enkeln hinausgenommen. Wir haben gezeltet und nach der Jagd ein Feuer angezündet. Und dann hat er uns die Geschichten von den Sternen erzählt«, sagte Djati mit leiser, melodischer Stimme. »Bis dahin hatte ich noch nie richtig nach oben geschaut und nie über so etwas wie die Gestirne nachgedacht oder über die Bedeutung, die sie für mein Volk haben mochten. Ich musste zu sehr ums Überleben kämpfen.«
»Ich habe deine Geschichte in Annies Tagebuch gelesen«, murmelte Fleur. »Sie schreibt, dass Benuk dich unter seine Fittiche genommen hat, als du nach Savannah Winds kamst.«
Seine haselnussbraunen Augen leuchteten im Feuerschein, während er in die Flammen starrte; die Haare glitzerten silbrig, die tiefen Furchen in seinem Gesicht traten deutlich hervor. »Mag sein, dass er aus einem anderen Stamm war – ich wusste nicht, wie mein Volk hieß oder wo seine Jagdgründe lagen – , aber Benuk war für mich der Vater, den ich nie hatte. Ohne ihn hätte ich nie etwas über die Sitten und Gebräuche unserer Völker gelernt und dass wir dem Land zurückgeben müssen, was wir ihm genommen haben.«
Er zeigte zu den Sternen. »Über den Großen Weißen Weg gehen alle, die unsere Erde verlassen haben. Benuk ist da oben mit Annie und passt auf uns auf – und jeder Stern, den du siehst, ist eine Seele, die vom Großen Vater im Großen Kanu hinaufgeholt wurde.«
Er verstummte, als er am Himmel eine Sternschnuppe entdeckte. »Mich tröstet der Gedanke, dass ich eines Tages meine Mutter und meinen Vater wiedersehen werde, dass ich wieder mit Benuk jagen und auf Savannah Winds hinabschauen werde – bis zum Großen Erwecken, wenn alle Seelen zur Erde zurückkehren.«
Fleur hatte einen Kloß im Hals, als sie die Sterne betrachtete und seiner tiefen Stimme lauschte. Der Gedanke war schön und tröstlich, denn wenn Annie und ihre Mutter tatsächlich über sie wachten, dann hatte sie nicht viel zu befürchten.
Trotz der Enge und der unheimlichen Geräusche, die in der Nacht aus der Savanne drangen, hatte Fleur gut geschlafen. Sie lag im Schlafsack und schaute durch das schmutzige Wagenfenster in den lilafarbenen Himmel, über den Nebelschwaden in Grau und Rosa zogen, die von der Savanne aufstiegen, ätherischen Schleiern gleich. Die Sonne schob sich wie eine Scheibe über den Horizont.
Fleur öffnete den Reißverschluss, schälte sich aus dem Schlafsack und kletterte aus dem Auto. Plötzlich hörte sie Flügelschlagen und drehte sich ruckartig um. Eine Schar anmutiger grauer Brolgakraniche erhob sich und flog vor der rosaroten Sonnenscheibe davon – ein Bild wie ein wunderschönes japanisches Gemälde.
»Das ist ein Anblick, was?« Djati bereitete auf einem Primuskocher schon das Frühstück zu.
»Kaum zu glauben, dass ich meinen Fotoapparat im Koffer gelassen habe«, murmelte Fleur. »Da hab ich was versäumt.«
»Keine Bange, du wirst noch jede Menge Kraniche sehen. Die Flüsse sind zu dieser Jahreszeit reich an Fischen.«
Sie machten es sich bequem, aßen Rührei mit Speck und tranken starken schwarzen Tee mit dem Aroma von Eukalyptusblättern. »In ungefähr zwei Stunden dürften wir auf Savannah Winds sein«, sagte Djati, als sie wieder in den Wagen stiegen. »Die Fahrt wird ein bisschen holprig, also halte dich gut fest.«
Der unbefestigte Weg war tatsächlich zerfurcht und löchrig. Überall rekelten sich Reptilien in der Sonne, und aus dem Busch tauchte eine Herde Emus auf und rannte ungefähr eine Meile lang vor ihnen her, bevor sie wieder im Busch verschwand.
»Hirnlose Dinger«, grummelte Djati. »Aber sie geben einen guten Braten ab.«
Er gab Gas, sobald die Emus fort waren, sodass hinter ihnen eine große rote Staubwolke aufstieg. »Und«, fragte er einige Minuten später, »was hat Annie noch in ihr Tagebuch geschrieben?«
Fleur lächelte. »Das würdest du wohl gern wissen?«, neckte sie ihn. »Sie war der Meinung, dass du mit Sal zusammenkommen würdest – und allem Anschein hat sie ja richtig gelegen.«
Djati grinste. »Mir blieb nichts anderes übrig«, sagte er fröhlich. »Sal hat mich ins Visier genommen, und bevor ich mich’s versah, war ich geliefert.« Grinsend schüttelte
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