Der Zauber von Savannah Winds
ihrer Tante in die Arme. »Oh, Fleur«, schluchzte sie. »Gott sei Dank bist du da!«
Fleur hielt das aufgelöste Mädchen fest, bis der Tränenfluss versiegte. Dann zog sie Mel in die Wohnung und auf ein Sofa. »Was ist denn bloß passiert? Und was machst du um diese nachtschlafende Zeit in Brisbane?«
Melanie warf die Haare zurück und schnäuzte sich die Nase. Die Wimperntusche rann ihr in Streifen über das Gesicht. Sie sah schrecklich aus. »Ein Kumpel hat uns alle zu einem Gig in Southbank mitgenommen, aber ich hab’s einfach nicht ausgehalten. Nicht nach dem heutigen Tag.«
»Warum? Was ist denn passiert?«
Sie schaute sich im Apartment um. »Wo ist Greg?«
»Nicht da.«
»Oh, Gott, hattet ihr auch Streit?«
»Er ist im Krankenhaus. Mich interessiert mehr, warum du so außer dir bist.«
»Mum und ich hatten einen furchtbaren Krach, und ich habe ein paar schlimme Dinge gesagt. Das wird sie mir nie verzeihen.«
»Natürlich wird sie das«, beruhigte Fleur sie, strich ihr eine orangefarbene Haarsträhne aus der Stirn und tätschelte die feuchte Wange. »Sie ist deine Mum – und Mütter verzeihen alles.«
»Meinst du?«
Fleur nickte. »Willst du es mir erzählen?«
Sie hielt Mel an sich gedrückt, während sie sich die Geschichte anhörte, die mit einem neuen Tränenschwall aus dem Mädchen hervorbrach.
»Klingt ganz so, als hättet ihr beide euch heute gegenseitig das Leben schwer gemacht«, sagte Fleur, als Melanie schließlich still wurde. »Wenigstens scheint ihr euch ja irgendwie geeinigt zu haben.«
»Aber ich habe Mum zum Weinen gebracht«, schluchzte Mel, »und das wollte ich nicht.«
Fleur löste ihre Nichte sanft aus der Umarmung und nahm deren tränenüberströmtes Gesicht in beide Hände. »Versuch mal, dich in Beth hineinzuversetzen. Dann wird dir vielleicht klar, warum sie sich deine Neuigkeiten so zu Herzen genommen hat.«
Mels Gesicht war eingefallen, die Augenlider vom Weinen geschwollen, die Lippen zitterten. »Sie will, dass ich zu Hause bleibe und kein Leben habe. Genauso gut könnte ich Nonne werden – das ist so ungefähr das Einzige, womit sie einverstanden wäre.«
»Jetzt mach mal halblang, Mel! Du tust dir nur selbst leid – dabei geht es hier nicht nur um dich, weißt du, so überraschend dir das auch erscheinen mag. Deine Mutter bemüht sich, mit einem leeren Nest zurechtzukommen. Sie hat ihr Leben lang für euch alle gesorgt, und jetzt lasst ihr sie nacheinander sitzen – nahezu ohne ein Wort des Dankes oder der Anerkennung.«
»Sie hat doch Dad«, brummte Melanie.
Fleur seufzte. »Aber der hat seine Arbeit und sein Golf. Ich wette, er war nicht da, um ihr Gesellschaft zu leisten, als du gegangen bist, oder?«
Mel schüttelte den Kopf und schniefte. »Er ist heute Nachmittag nach Hause gekommen und hat gesagt, er sei am Abend mit seinen Kumpels unterwegs.« Sie brach erneut in Tränen aus. »Ich bin echt egoistisch gewesen, nicht wahr? Wenigstens mit dir kann ich sprechen. Arme Mum!«
Fleur zog das Mädchen an sich, und so saßen sie eine Weile schweigend da, unterbrochen nur von Melanies Schluchzern. »Deine Mutter liebt dich, sie will nur dein Bestes. Natürlich ist sie enttäuscht, dass du nicht wie geplant zur Uni willst. Sie ist sehr stolz auf dich.«
»Ja, das weiß ich doch«, murmelte Melanie, tauchte aus der Umarmung auf und wischte sich die Augen. »Deshalb war es heute ja so schwer. Ich wusste, dass sie einen Wutanfall kriegen würde, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich schlagen würde.«
»Manchmal lenkt ein guter Klaps die Gedanken auf die wirklich wichtigen Dinge«, sagte Fleur leise, »und es klingt eher so, als hättest du ihn verdient.«
Melanie schniefte und fuhr sich mit den Fingern über die Wange. »Das hat sie noch nie gemacht«, brummte sie.
Fleur fragte sich, ob das ein Teil des Problems war, aber es wäre sinnlos, irgendetwas dazu zu sagen. Sie betrachtete ihre Nichte, die in dieser Verfassung nirgendwohin gehen konnte. »Bleib lieber hier, und ruh dich aus. Und morgen fährst du nach Hause und nimmst deine Mutter in den Arm, schenkst ihr einen Blumenstrauß und mindestens drei Stunden Zeit.«
»Sie wird mich nicht sehen wollen«, stotterte Mel, wieder unter Tränen. »Sie hasst mich.«
Fleur atmete tief durch. Die Nacht würde lang werden.
Greg war in einem der Räume eingeschlafen, die für Chirurgen in Rufbereitschaft frei gehalten wurden, und erst das Geräusch der nächtlichen Reinigungstruppe, die die Flure
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