Der Zauber von Savannah Winds
Stimme, berührte ihn aber noch immer nicht, wofür Greg dankbar war. Hätte sie die Hand nach ihm ausgestreckt, wäre er zusammengebrochen, denn der Faden, mit dem er seine Gefühle im Zaum hielt, war so dünn, dass er leicht hätte reißen können.
»Ich habe das Kinderheim überlebt, weil ich zum ersten Mal erkannte, dass ich nicht allein war – dass andere Kinder dieselbe Hölle durchlitten hatten. Das hat mich gestärkt, und ich fasste den Entschluss zu beweisen, dass ich etwas tauge und der Alte unrecht hatte.« Er verstummte und dachte zurück an jene Jahre. Er erinnerte sich an die Geräusche und Gerüche des vollgestopften alten Hauses in einem Vorort von Sydney – an die Freunde, die er gewonnen, und die Lektionen, die er gelernt hatte.
»Im ersten College-Jahr habe ich angefangen, über das Verhalten meines Vaters Nachforschungen anzustellen. Ich hatte bereits beschlossen, Arzt zu werden, war mir aber nicht sicher, welche Fachrichtung ich einschlagen sollte. Ich hatte schon lange den Verdacht gehabt, dass mein Vater geisteskrank war, und durch die Recherche wurde mir klar, dass er ein Soziopath mit Neigung zu Gewaltanwendung war, der Kontrolle über Schwächere ausüben musste, um die eigenen Unzulänglichkeiten zu kompensieren.«
Er schloss die Augen. »Ich habe viel darüber nachgelesen, warum er offenbar keine Gefühle hatte, wenn er zuschlug – warum er niemals Bedauern oder Gram zum Ausdruck brachte. Seine Krankheit bedeutete, dass er unfähig war, etwas zu empfinden, unfähig, zu unterscheiden oder auch nur zu begreifen, was richtig ist und was falsch. An dem Punkt habe ich mir geschworen, niemals das Risiko einzugehen, eigene Kinder zu bekommen, denn es gab deutliche Hinweise, dass ich seine Krankheit geerbt haben könnte.«
»Aber du bist nicht psychisch labil«, platzte es aus Fleur heraus.
»Ich habe ein mieses Naturell«, murmelte er. »Obwohl ich den Zorn unter Kontrolle habe, baut er sich manchmal so auf, dass ich fürchte zu explodieren.«
»Das hast du nie gezeigt«, beharrte sie. »Ich glaube, es sind eher die Enttäuschungen und die verdrängten Verletzungen, die du hegst. Aber mittels Hilfe und Beratung wirst du feststellen, dass du so normal bist wie jeder andere.«
»Seit wann hast du ein Diplom in Psychologie?«
»Und du?« Sie berührte seinen Arm, und er fuhr zusammen. »Eine psychologische Beratung könnte die Lösung sein, Greg. Weise das nicht einfach von dir.«
»Keine noch so lange Beratung wird mich umstimmen, Fleur. Ich bin nicht bereit, das Leben eines Kindes aufs Spiel zu setzen, nur um einen Standpunkt zu beweisen.«
»Aber ich werde da sein, um unser Kind zu beschützen, es zu lieben und zu verwöhnen. Bitte, verzichte nicht auf mich – oder die Möglichkeit, Kinder zu haben. Lass deinen Vater nicht gewinnen, nicht nach so langer Zeit!«
»Du hast mir nicht eine Sekunde lang zugehört«, zischte er, rappelte sich mühsam auf und taumelte zum Schlafzimmer. Mit raschen, wütenden Bewegungen begann er, eine Reisetasche zu packen. Er ging über Fleurs flehentliche Bitten hinweg und wollte nicht in ihr tränenüberströmtes Gesicht sehen, als sie ihm durch das Zimmer folgte.
»Ich kann nicht hierbleiben«, brummte er, schob sich an ihr vorbei und ging zur Wohnungstür.
»Warum denn nicht?«, schluchzte sie. »Wohin gehst du?«
»Das weiß ich nicht. Aber es ist aus, Fleur. Ich komme nicht mehr zurück.«
5
Z wei Tage nach dem Familienlunch hatte Bethany sich schließlich entschieden, Fleurs Rat zu befolgen und ihre Ärztin aufzusuchen. Sie war sehr verständnisvoll gewesen, und Bethany hatte die Praxis mit Hormonpillen für einen Monat und einem Diätplan verlassen. Sie war so optimistisch wie seit Langem nicht mehr. Den Rest des Vormittags hatte sie in einem Schönheitssalon verbracht und war dann shoppen und zum Friseur gegangen.
Nun war das Abendessen zubereitet und der Esstisch mit dem besten Porzellan und Tafelsilber gedeckt. Bethany schlüpfte in die neue federleichte Hose und ein langes, fließendes Oberteil im Kaftan-Stil, das ihre blauen Augen hervorhob, und bewunderte sich im Spiegel des Kleiderschranks. Sie grinste entzückt, denn der schlichte Schnitt verdeckte eine Menge Kilos.
Ihre Haare waren nicht mehr grau, sondern in einem helleren Kastanienbraun koloriert, als sie es in ihrer Jugend gehabt hatte. Das kurze, glänzende Haar umspielte ihr Gesicht, und der dichte Pony fiel ihr in die Stirn. Es war eine mutige modische Frisur, und Bethany
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