Der Zauber von Savannah Winds
obwohl sich in seinem Innern Wut aufbaute und die Schranken einzureißen drohten, die er so viele Jahre lang errichtet hatte.
»Versagen ist der Mangel an Erfolg im Leben und in Beziehungen – die Unfähigkeit, die Erwartungen anderer zu erfüllen«, antwortete er angespannt. »Es ist, wenn man die Augen vor Situationen verschließt, die man hätte verändern können, die Unfähigkeit, Dinge geradezurücken, und fehlender Mut, sich zu wehren.« Sein Ton war verbittert, doch er hielt Carlas Blick stand. »Ich verwende das Wort, weil es genau den Mann beschreibt, der ich hinter dieser Fassade bin.«
»Weißt du, welchen Mann ich sehe, Greg?«
»Muss ich mir das anhören?«
Ihre schönen dunklen Augen strahlten Wärme und Verständnis aus. »Ich sehe einen Mann vor mir, der noch immer einen verängstigten, eingeschüchterten kleinen Jungen in sich trägt, dem nie erlaubt wurde, für sich Partei zu ergreifen. Es ist an der Zeit, diesen kleinen Jungen herauszulassen, Greg. Ihm eine Stimme zu geben, damit er all die Verletzungen und Demütigungen abwerfen kann, die er erduldet hat, und lernt, sich selbst zu lieben und zu vertrauen.«
»Ich muss wieder ins Krankenhaus«, sagte er schroff und schickte sich an zu gehen. »Danke, Carla, aber ich glaube, wir sollten Feierabend machen. Das funktioniert einfach nicht.«
»Doch, und das wissen wir beide«, sagte sie leise. »Das ist der Grund, warum du diesem Raum und unserem Gespräch entkommen willst.« Sie legte den Kopf schief. »Hast du Angst vor dem, was dieser kleine Junge dir unbedingt sagen will, Greg?«
»Ja«, flüsterte er und sank wieder auf den Stuhl. »Ich will ihn weder hören noch sehen. Ich will meinem Vater nicht wieder gegenübertreten – oder meiner Mutter.«
»Ich glaube, im Grunde deines Herzens weißt du, dass du das eines Tages tun musst.«
Er nahm sein Jackett von der Stuhllehne und zog es über. »Aber nicht heute.« Er schaute zu ihr hinab, als sie neben ihn trat. »Siehst du, wie feige ich bin? Tut mir leid, Carla. Ich kann das nicht.«
Sie lächelte verständnisvoll. »Du musst nichts tun, was dir unangenehm ist. Aber wenn du mit einer Freundin sprechen willst – einer, die in ihrer Ehe gerade selbst eine schmerzliche Zeit durchmacht und die weiß, wie es sich anfühlt – , ich bin immer da.«
»Das war mir nicht klar.«
»Warum auch?« Sie lächelte gerissen. »Ich bin hier, um anderen zu helfen, nicht um meine eigenen Probleme zu erörtern.«
Demnach ist die reizende, rätselhafte Carla verheiratet, dachte er. Oder sie versucht zumindest eine Art schmerzhafter Trennung zu überstehen. Das macht sie irgendwie menschlicher, zugänglicher – aber vielleicht hat sie es mir auch deshalb erzählt. »Es muss hart sein, deinen Patienten zuzuhören, wenn dein eigenes Leben in Aufruhr ist. Wie kommst du damit zurecht?«
»Ich habe gute, enge Freunde, die mir zuhören und nur selten ein Urteil fällen. Und während ich ununterbrochen rede, merke ich, dass die Antworten die ganze Zeit vorhanden waren – nur dass die Emotionen und das Durcheinander früherer Verletzungen sie blockiert haben.«
»Verstehe.« Schweigend stand er vor ihr, und seine Gedanken wurden allmählich klarer. »Manchen Menschen fällt es eben leichter, über ihre Probleme zu reden«, stellte er abschließend fest. »Ich werde immer nur wütend und frustriert, wenn ich die Vergangenheit ans Licht hole, weil ich nichts tun kann, um das Geschehene rückgängig zu machen.«
»Aber du kannst lernen, nach vorn zu schauen. Du kannst die Vergangenheit hinter dir lassen, dir die Sünden vergeben, die du eigentlich nie begangen hast«, erklärte sie leise. »Und deshalb ist es so wichtig, dass du weiterredest und alles ans Licht holst – denn früher oder später wird die Wunde sauber und ausgebrannt sein und du wirst dich wieder gesund fühlen – bereit, dich dem Leben zu stellen.«
Gregs Magen knurrte, und er schaute auf seine Armbanduhr. »Mir war gar nicht klar, wie spät es ist. Tut mir leid, wenn ich dich aufgehalten habe, Carla. Ich hoffe, ich habe deine Pläne für heute Abend nicht durchkreuzt?«
Lächelnd griff sie nach ihrer Handtasche und löschte das Licht. »Das Au-pair-Mädchen wird die Kinder inzwischen ins Bett gebracht haben. Daher werde ich mir etwas zu essen holen und mich an meine Fallnotizen setzen. Du hast wohl wieder Dienst?«
Greg verbuchte den neuen, überraschenden Informationsbrocken über Carla, während sie ihm hinaus auf die Straße folgte und
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