Der Zauber von Savannah Winds
ausspionieren. Auch wenn du dich für clever gehalten hast und dachtest, du wüsstest alles über mich, weißt du gar nichts!«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte wortlos davon.
In knapp einer Stunde war Fleur in Cairns. Sie brauchte eine Viertelstunde, um einen Parkplatz zu finden. Es war Samstag, die Stadt war voller japanischer Touristen und Backpacker, die anscheinend keine Eile hatten und ihr ständig im Weg waren.
Fleur schlängelte sich durch die dicht gedrängte Menge auf dem Bürgersteig und wich den riesigen Rucksäcken aus, die manche Jugendliche schleppten. Sie überquerte die Lake Street und eilte die von Bäumen gesäumte Promenade entlang. Auf den neuen Infinity Pool warf sie nur einen flüchtigen Blick, zog die Schultertasche hoch und ging weiter zum Markt auf dem Pier. Sie hatte Melanie aufgetragen, im Coffee Shop des Radisson Plaza Hotel auf sie zu warten.
Fleur entdeckte ihre Nichte sofort. Eine einsame kleine Gestalt, über eine Tasse Kaffee gebeugt, neben sich, auf dem Boden, einen großen Rucksack. Strähniges Haar hing ihr ins Gesicht, während sie gedankenlos eine Zeitschrift durchblätterte – eine Insel der Stille im regen Treiben ringsum. Mel tat ihr leid.
»Hi«, grüßte Fleur.
»Fleur! Oh, Fleur, danke, dass du gekommen bist.« Melanie sprang auf, umarmte ihre Tante und brach in Tränen aus. »Ich hatte ja solche Angst«, schluchzte sie. »Ich wusste nicht, was ich machen sollte, außer dich anzurufen.«
Fleur gelang es schließlich, sich aus Mels ziemlich muffiger Umarmung zu befreien. Sie kramte in ihrer Tasche nach einer Packung Papiertaschentücher. »Ich dachte, die kannst du gebrauchen«, murmelte sie. »Komm schon, Mel, setz dich und atme mal tief durch, während ich uns was zu essen hole.«
Als Fleur mit einem Tablett, beladen mit Wasser- und Saftflaschen sowie ein paar Sandwiches, zurückkehrte, schien Mel sich etwas beruhigt zu haben. »Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht«, sagte Fleur mit aufgesetzter Heiterkeit, »aber ich hatte weder Frühstück noch Lunch und vergehe schier vor Hunger.«
»Ich auch.« Melanie riss die Folienverpackung auf und biss herzhaft in ein Brot mit Krabbensalat, wobei rosarote Mayonnaise auf ihr weites schwarzes T-Shirt tropfte.
Fleur beobachtete, wie Mel das Essen vertilgte. Von dem rotzfrechen Teenager, der vor vielen Wochen Brisbane verlassen hatte, war nicht mehr viel übrig, denn das Mädchen, das vor ihr saß, trug kein Make-up und verströmte das Air einer Niederlage. Fleur bemerkte die dunklen Ringe unter den Augen, die Spuren von Tränen, das ungekämmte Haar, angekaute Fingernägel und schmuddelige Kleidung. Was immer Mel zugestoßen sein mochte, hatte ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl vernichtet.
»Du hattest Glück, dass ich gerade in der Kingfisher Bay war«, sagte sie, sobald die Sandwiches aufgegessen waren. »Wäre ich noch zu Hause gewesen, hättest du auf eine Geldüberweisung warten müssen.«
»Von dem Ort habe ich noch nie gehört.« Mels Blick war so düster wie ihre Stimme. »Was machst du da?«
Fleur trank aus und schob den Stuhl zurück. »Das werde ich dir alles unterwegs erzählen. Gehen wir.«
Weder von Blue noch von seinem ramponierten Geländewagen war eine Spur zu sehen, und Fleur atmete erleichtert auf, als sie den Jeep abstellte. Die Rückfahrt war ohne Zwischenfälle verlaufen. Die meiste Zeit hatte sie Melanies Fragen nach der Erbschaft beantwortet.
Melanie hievte den Rucksack aus dem Wagen und folgte Fleur die Treppe hinauf ins Haus, ohne auch nur einen Blick auf die wunderschöne Umgebung zu werfen. »Es riecht muffig«, brummte sie und rümpfte die Nase.
Tief betroffen, weil Melanie ihr Paradies so voreilig und gedankenlos verunglimpft hatte, herrschte Fleur sie an: »Du riechst auch nicht gerade gut.«
Mel lächelte dümmlich. »Na, den Rüffel habe ich wohl verdient.« Sie roch am Saum ihres T-Shirts und verzog das Gesicht. »Du hast recht, ich müffle.«
Fleur führte sie den Flur entlang und zeigte auf das Bad, bevor sie ihr ein Schlafzimmer zuwies. »Lass dir ruhig Zeit im Bad. Wenn du die schmutzige Wäsche aus dem Rucksack holst, stecke ich sie in die Maschine, bevor sie Beine bekommt.«
Melanie stapelte beschämt verdreckte Kleidung auf den Boden, bevor sie sich, schmutzig wie sie war, auf die makellos weiße Bettdecke warf. »Danke, Fleur.« Wieder brach sie in Tränen aus. »Tut mir leid, wenn ich dich nerve, aber ich … «
»Ganz und gar nicht«,
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