Der Zauberberg
hinstellen wolle; denn es sei umgekehrt anzunehmen, daß die Besetzung so vieler wichtiger Posten mit Bundesbrüdern eben nur die Macht des Bundes beweise, der gewiß mehr, als Herr Settembrini so geradeheraus sagen wolle, seine Hand am Weltspiele habe.
{776} Settembrini lächelte. Er fächelte sich sogar mit dem Heft der »Massoneria«, das er in Händen hielt. Man meine ihm wohl eine Falle zu stellen? fragte er. Man gedenke wohl gar, ihn zu unvorsichtigen Aussagen über das politische Wesen, den wesentlich politischen Geist der Loge zu verleiten? »Unnütze Verschmitztheit, Ingenieur! Wir bekennen uns zur Politik, rückhaltlos, offen. Wir achten das Odium für nichts, das in den Augen einiger Toren – sie sitzen bei Ihnen zulande, Ingenieur, fast nirgends sonst – mit diesem Wort und Titel verbunden ist. Der Menschenfreund kann den Unterschied von Politik und Nichtpolitik überhaupt nicht anerkennen. Es gibt keine Nichtpolitik. Alles ist Politik.«
»Rundweg?«
»Ich weiß wohl, daß es Leute gibt, die auf die ursprünglich unpolitische Natur des Maurergedankens hinzuweisen für gut finden. Aber diese Leute spielen mit Worten und ziehen Grenzen, die als imaginär und unsinnig zu erkennen es längst an der Zeit ist. Erstens zeigten wenigstens die spanischen Logen von allem Anbeginn eine politische Färbung –«
»Kann ich mir denken.«
»Sie können sich wenig denken, Ingenieur. Wähnen Sie nicht, sich von Hause aus viel denken zu können, sondern suchen Sie aufzunehmen und zu verarbeiten – ich bitte Sie darum in Ihrem eigenen Interesse, wie in dem Ihres Landes und im europäischen Interesse – was ich Ihnen zweitens einzuprägen im Begriffe bin. Zweitens nämlich war der Maurergedanke niemals unpolitisch, zu keiner Zeit, er konnte es nicht sein, und wenn er es ja zu sein glaubte, so betrog er sich über sein Wesen. Was sind wir? Bauleute und Handlanger an einem Bau. Der Zweck aller ist einer, das Beste des Ganzen das Grundgesetz der Verbrüderung. Welches ist dieses Beste, dieser Bau? Der kunstgerechte gesellschaftliche Bau, die Vollendung der Menschheit, das neue Jerusalem. Was in aller Welt soll da Po {777} litik oder Nichtpolitik? Das gesellschaftliche Problem, das Problem der Koexistenz selbst ist Politik, durch und durch Politik, nichts weiter als Politik. Wer sich ihm weiht – und den Menschennamen verdiente nicht, wer sich dieser Weihe entzöge – gehört der Politik, der inneren wie der äußeren, er versteht, daß die Kunst des freien Maurers Regierungskunst ist –«
»Regierungs …«
»Daß die illuminatistische Maurerei den Regentengrad kannte …«
»Sehr schön, Herr Settembrini. Regierungskunst, Regentengrad, das gefällt mir. Aber lassen Sie mich nun eines hören: Sind Sie Christen, Sie alle miteinander in Ihrer Loge?«
»Perchè!«
»Entschuldigen Sie, ich will anders fragen, allgemeiner und einfacher. Glauben Sie an Gott?«
»Ich werde Ihnen antworten. Warum fragen Sie?«
»Ich wollte Sie nicht versuchen vorhin, aber es gibt da eine biblische Geschichte, worin jemand den Herrn mit einer römischen Münze versucht und zur Antwort bekommt, man solle dem Kaiser geben, was des Kaisers, und Gott, was Gottes sei. Mir kommt vor: diese Art zu unterscheiden liefert den Unterschied zwischen Politik und Nichtpolitik. Gibt es Gott, so gibt es auch diesen Unterschied. Glauben die Freimaurer an Gott?«
»Ich verpflichtete mich, Ihnen zu antworten. Sie sprechen von einer Einheit, an deren Herstellung gearbeitet wird, die aber heute zum Leidwesen aller Guten noch nicht existiert. Der Weltbund der Freimaurer existiert nicht. Wird er hergestellt sein – und ich wiederhole, es wird mit aller stillen Emsigkeit an diesem großen Werke gearbeitet – so wird ohne Zweifel auch sein religiöses Bekenntnis einheitlich sein, und es wird lauten: ›Écrasez l’infâme‹.«
»Obligatorisch? Das wäre nicht tolerant.«
{778} »Dem Problem der Toleranz dürften Sie kaum gewachsen sein, Ingenieur. Prägen Sie sich immerhin ein, daß Toleranz zum Verbrechen wird, wenn sie dem Bösen gilt.«
»Gott wäre das Böse?«
»Die Metaphysik ist das Böse. Denn sie ist zu nichts gut, als den Fleiß einzuschläfern, den wir dem Bau des Gesellschaftstempels zuwenden sollen. Und so hat denn schon vor einem Menschenalter der Groß-Orient von Frankreich ein Beispiel gegeben, indem er den Namen Gottes aus seinen sämtlichen Schriftstücken strich. Wir Italiener sind ihm darin nachgefolgt …«
»Wie
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