Der Zaubercode
genauso verstörend gewesen, wie zuvor.
»Diese Person kommt mir bekannt vor«, ließ sie Blaise wissen. »Ich glaube ich war in der Zauberdimension auch schon in ihren Gedanken.«
Er lächelte und war nicht mehr überrascht davon, dass sie so schnell zurückgekommen war. »Ja, es wundert mich nicht, dass du sie wiedererkennst. Die meisten meiner Perlen habe ich von Maya und Esther bekommen, meinen Freundinnen aus dem Dorf. Sie haben viele Talente, unter anderem kennen sie sich hervorragend mit Naturheilverfahren aus und sind außerdem Hebammen. Im Austausch für ihre Hilfe, haben sie Momentaufnahmen von den Frauen verlangt, denen sie helfen. Eine Art Bezahlung, die sie mir zukommen lassen haben ...« Seine Stimme verstummte und sein Blick wurde nachdenklich.
»Was ist los?«, fragte Gala neugierig.
»Mir ist nur gerade eine Idee gekommen, warum du diese Gestalt angenommen haben könntest«, antwortete er ihr, und blickte sie an, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Welche Gestalt?« Gala schaute ihn fragend an.
»Die eines Mädchens.«
»Magst du sie nicht?«, fragte sie und war unerklärlicherweise enttäuscht.
»Nein, das ist es nicht«, versicherte er ihr. »Ich mag sie. Ich mag sie sogar ein wenig zu gern, glaub mir.« Seine Augen verdunkelten sich und seine Wangen erröteten leicht. Gala lächelte, da sie sich darüber freute, ihm zu gefallen. Das Aussehen war den Menschen wichtig; das hatte sie auch aus den Büchern gelernt.
Er räusperte sich und sah immer noch ein wenig unangenehm berührt aus. »Was ich dir eigentlich eben sagen wollte ist, ich denke, du siehst aus wie ein Mädchen, weil so viele der Momentaufnahmen, die ich dir gesandt habe, von den Frauen aus dem Dorf waren — die Mehrheit sogar.«
Gala nickte. Das ergab Sinn. Ihr Unterbewusstsein hatte wahrscheinlich wegen der Visionen durch die Momentaufnahmen eine weibliche Form gewählt. Und da der Großteil der Aufnahmen von Frauen war, war es nur logisch, dass ihr Gehirn dieses Aussehen angenommen hatte.
»Also, würdest du jetzt gerne noch mehr Momentaufnahmen sehen?«, wollte Blaise wissen. »Diese hier habe ich aus dem Zauberturm mitgenommen.«
»Ja, gerne«, antwortete ihm Gala.
* * *
Die junge Zauberin saß in einem der Arbeitszimmer im Turm. Zum ersten Mal in ihrem Leben schrieb sie einen eigenen Zaubercode. Das war ein entscheidender Meilenstein in ihrer Ausbildung und sie wollte Meister Kelvin stolz auf das machen, was sie erreicht hatte.
Dieser Zauberspruch war einer der schwierigeren verbalen Sprüche, da alle Studenten erst die alte Art zu zaubern lernen mussten, bevor sie Zugang zu der einfacheren magischen Sprache und dem Deutungsstein bekamen. Um die Wahrscheinlichkeit von Fehlern auf ein Minimum zu begrenzen, überprüfte sie noch einmal die Logik des Spruchs und vergewisserte sich, dass alles richtig aussah. Natürlich wusste sie, der einzige Weg um Sicherheit zu haben war, den Spruch laut aufzusagen.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und sprach die Sätze, die sie vorbereitet hatte, laut aus, bevor sie sie mit den geheimen Worten des Deutungsspruchs abschloss. Dann beobachtete sie, wie ein kleines Feuer vor ihr erschien, genauso wie sie es kodiert hatte. Sie lachte voller Aufregung und Freude, da sie sich fühlte, als habe sie gerade die Welt erobert.
Plötzlich blitzte ein helles Licht im Raum auf und die Sphäre explodierte, Glassplitter und brennendes Holz regneten auf sie herab.
Die Explosion warf die junge Frau um, aber sie schaffte es, bei Bewusstsein zu bleiben. Der Raum war allerdings fast vollständig zerstört.
Ihr Zauberspruch hatte nicht funktioniert.
* * *
Gala stoppte die Aufnahme und beschloss, im Augenblick keine weitere ansehen zu wollen. Das beunruhigte sie einfach zu sehr. Die Gedanken des letzten Mädchens waren so voll von den starken negativen Gefühlen der Enttäuschung und der Angst gewesen, dass Gala immer noch die Nachwirkungen spürte.
»Bist du wieder ausgestiegen?«, fragte Blaise sobald Gala ihre Augen öffnete.
»Ich glaube nicht, dass ich auf diese Art und Weise noch mehr von der Welt lernen möchte«, teilte sie ihm mit. »Ich würde lieber alles selbst erleben, und nicht durch die Augen einer anderen Person.«
»Gala ...« Blaise klang wieder unglücklich und seine Stirn legte sich in Falten. »Das ist keine gute Idee. Das habe ich dir doch schon erklärt. Wenn wir rausgehen, werden alle neugierig auf dich sein. Das einzige, was du erleben wirst, ist ihr
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