Der Zaubercode
wundervoll gewesen, und es wäre fantastisch wenn eine Person — wenn er selbst — es sehen könnte (oder erleben könnte, indem er den Sinn benutzte, der an diesem Ort an Stelle der Sicht benutzt wurde).
Wäre es verrückt wenn er versuchen würde, dorthin zu gehen. In die Zauberdimension einzudringen? Die meisten Menschen würden das denken, aber die meisten Menschen hatten auch keine richtigen Visionen und gingen selten Risiken ein, die zu wahrer Größe führen konnten.
Was würde passieren, wenn er es schaffte, in die Zauberdimension zu gelangen? Würde er die Art von Macht bekommen, die Gala vermutlich besaß? Wenn ja, könnte er nicht aufgehalten werden — wäre er der mächtigste Zauberer, der jemals gelebt hatte. Er wäre Gala ebenbürtig und, falls sie bis dahin die Magie immer noch nicht beherrschte, könnte er ihr sogar beibringen, ihre angeborenen Fähigkeiten zu nutzen. Er wäre in der Lage das zu tun, von dem er bis jetzt nur geträumt hatte: richtige Veränderungen einzuführen, die Welt wirklich zu verbessern.
Er wäre eine Legende, wie Lenard der Große.
Blaise atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Das war alles großartig in der Theorie, aber er hatte keine Ahnung, ob das in der Praxis wirklich realisierbar und sicher wäre. Er müsste vorsichtig und methodisch dabei vorgehen.
Jetzt hatte er endlich etwas — oder besser jemanden — sehr wichtiges, um dafür zu leben.
* * *
Als Blaise neben dem Haus landete, blickte er entsetzt auf die rote Chaise, die vor seiner Tür stand.
Eine sehr bekannte Chaise — nämlich die, welche der Prototyp für alle gewesen war.
Augustas Chaise.
Und sie stand vor seinem Haus.
Was machte seine ehemalige Verlobte hier? Blaise fühlte, wie sein Herzschlag sich erhöhte und sein Brustkorb sich aus einer Mischung von Wut und Sorge verengte. Warum war sie ausgerechnet heute hier vorbeigekommen?
Er wappnete sich mental, öffnete die Tür und betrat das Haus.
Als er die große Eingangshalle betrat, kam sie gerade die Treppen herunter. Bei ihrem Anblick fühlte Blaise einen bekannten, durchdringenden Schmerz. Sie war genauso beeindruckend wie er sie in Erinnerung hatte, ihre langen, glatten, braunen Haare waren hochgesteckt und ihre bernsteinfarbenen Augen sahen aus wie antike Münzen. Er konnte nichts dagegen tun, ihr dunkles, sinnliches Aussehen mit Galas blasser, außerirdischer Schönheit zu vergleichen. Wenn Augusta lächelte, sah sie oft spitzbübisch aus, aber jetzt hatte sie einen schockierten und ängstlichen Gesichtsausdruck.
»Was hast du getan?«, flüsterte sie und starrte ihn an. »Blaise, was hast du getan?«
Blaise fühlte, wie sein Blut zu Eis erstarrte. Von allen Menschen da draußen, war Augusta eine der wenigen, die seine Aufzeichnungen so schnell verstehen konnte. »Was machst du hier?«, fragte er um Zeit zu gewinnen. Vielleicht irrte er sich; vielleicht wusste sie nicht alles.
»Ich bin vorbeigekommen, um nach dir zu sehen.« Ihre Stimme zitterte leicht. »Ich wollte wissen, ob es dir gut geht. Aber das tut es nicht, oder? Du bist völlig verrückt geworden—«
»Wovon redest du?«, unterbrach Blaise sie.
»Ich weiß über die Abscheulichkeit, die du erschaffen hast, Bescheid.« Ihre Augen funkelten. »Ich weiß über diese Sache Bescheid, die du auf die Welt losgelassen hast.«
»Augusta, bitte beruhige dich ...« Blaise versuchte jetzt, mit beruhigender Stimme zu reden. »Lass uns darüber reden. Was genau wirfst du mir vor?«
Ihr Gesicht wurde plötzlich glühend rot. »Ich beschuldige dich, mit Magie eine furchtbare Kreatur erschaffen zu haben, die selbstständig denken kann«, zischte sie und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. »Ein Grauen, welches zu deiner eigenen Überraschung auch noch menschliche Gestalt angenommen hat!«
Also wusste sie alles. Das war schlecht. Richtig schlecht. Blaise konnte sie mit dieser Information nicht zum Rat gehen lassen, aber wie sollte er sie aufhalten? »Schau mal, Augusta«, erwiderte er geistesgegenwärtig, »ich denke du hast das Ganze missverstanden. Es stimmt, ich habe versucht, ein intelligentes Objekt zu schaffen, aber ich habe versagt. Ich hatte keinen Erfolg—«
»Lüg mich nicht an!«, schrie sie und er war völlig überrascht, dass sie derartig ihre Fassung verlor. Er hatte sie noch niemals zuvor in einem solchen Zustand gesehen; in all den Jahren, die er sie gekannt hatte, hatte sie ihre Stimme nur wenige Male erhoben.
»Ich weiß, dass du
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