Der Zauberhut
ihn unvorstellbar. Sie stellte die größte Ansammlung von Magie auf der ganzen Scheibenwelt dar. Sie bildete das Fundament der Zauberei. Die Bücher enthielten alle jemals ersonnenen und verwendeten Zauberformeln. Es war einfach unerhört, einen solchen thaumaturgischen Schatz zu vernichten.
Allerdings fehlten entsprechende Reste. Oh, es gab genug Asche, und Rincewind fand auch Ketten, verkohlte Regale und dergleichen. Aber Tausende von Büchern verbrannten nicht so leicht. Es hätten zumindest einige Lederrücken und angesengte Seiten zurückbleiben müssen. Und danach hielt er vergeblich Ausschau.
Rincewind strich mit dem Fuß durch die schwarze Masse. Nur eine Tür führte in die Bibliothek, und unter ihr erstreckten sich die Kellergewölbe. Eine Zeitlang beobachtete er die vom Feuer verheerte Treppe und schüttelte langsam den Kopf. Nein, unmöglich: Der Keller bot nicht annähernd genug Platz für rund neunzigtausend magische Bücher. Außerdem konnte man sie nicht einfach teleportieren, denn aufgrund ihrer speziellen Natur widersetzten sie sich Magie. Wer versuchte, sie mit Zauberei zu bewegen, machte nach wenigen Sekunden die unerquickliche Erfahrung, daß ihm das Gehirn aus den Ohren floß.
Es donnerte über der Universität. Ein Ring aus orangefarbenem Feuer glänzte in halber Höhe des Turms aus kreativer Magie, raste empor und sauste in Richtung Quirm davon.
Rincewind drehte sich ein wenig zur Seite, sah zum Kunstturm und gewann den sonderbaren Eindruck, daß er seinen Blick erwiderte. In den Mauern gab es keine Fenster, aber zwischen den Zinnen schien sich etwas zu bewegen.
Er fragte sich, wie alt der Kunstturm sein mochte, zweifellos älter als die Universität. Sicher auch älter als die Stadt, die um ihn herum gewachsen war wie eine Geröllhalde am Hang eines Berges. Vielleicht sogar älter als die Geographie. Soweit Rincewind wußte, hatten die Kontinente vor langer Zeit völlig anders ausgesehen, bevor sie umherrutschten und es sich wie Hündchen in einem Korb gemütlich machten. Vielleicht trugen Wellen aus Stein den Turm an diesen Ort. Vielleicht stammte er überhaupt nicht von der Scheibenwelt. Rincewind verdrängte den letzten Gedanken rasch, denn daraus ergaben sich einige beunruhigende Fragen, zum Beispiel: Wer hat ihn gebaut? Und aus welchem Grund?
Er lauschte der Stimme seines Gewissens.
Tut mir leid, ich weiß nicht mehr weiter, flüsterte es in ihm. Jetzt bist du dran.
Rincewind stand auf, klopfte Staub von seinem Umhang und achtete nicht darauf, daß sich ein Teil des Samtbesatzes löste. Er nahm den Hut ab, rückte umständlich die Spitze zurecht und setzte ihn wieder auf.
Dann schritt er zum Kunstturm. Unten befand sich eine sehr alte und kleine Tür. Rincewind war keineswegs überrascht, als sie sich vor ihm öffnete.
»Ein sonderbarer Ort«, sagte Nijel. »Seht euch nur die gewölbten Wände an.«
»Wo sind wir?« fragte Conina.
»Gibt es hier irgendwelche alkoholischen Getränke?« fragte Krösus. Er schüttelte betrübt den Kopf. »Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Warum schwankt hier alles?« Conina blickte sich um. »Ich bin noch nie in einer Kammer gewesen, die ganz aus Metall besteht.« Sie schnupperte. »Riecht ihr Öl?« fügte sie argwöhnisch hinzu.
Der Dschinn erschien, und diesmal verzichtete er auf Spezialeffekte, die in erster Linie aus Rauch und Falltüren im Boden bestanden. Er hielt sich so weit von Conina fern, wie es die Höflichkeit erlaubte.
»Alles in Ordnung mit euch?« erkundigte er sich.
»Ist dies Ankh-Morpork?« gab die junge Frau zurück. »Wir hatten eigentlich gehofft, du setzt uns im Freien ab. Oder in einem Raum, den man durch eine Tür verlassen kann. Selbst ein Fenster wäre mir recht.«
»Ihr seid unterwegs«, erwiderte der Dschinn.
»Und worin?«
Das Zögern des Geistes gab Nijel die Möglichkeit, zu einem sehr erstaunlichen Schluß zu gelangen. Er starrte auf die Lampe in seinen Händen und schüttelte sie versuchsweise. Der Boden bebte.
»O nein!« stieß er hervor. »Das ist physikalisch völlig unmöglich.«
»Wir sind in der Lampe?« fragte Conina.
Die Kammer erzitterte erneut, als Nijel durch die Tülle spähte.
»Macht euch deshalb keine Sorgen«, sagte der Dschinn. »Ich gebe euch sogar den Rat, so wenig wie möglich daran zu denken.«
Er begann mit einer Erklärung, obwohl ›Erklärung‹ in diesem Zusammenhang kein geeigneter Ausdruck ist. Tatsächlich ließ der Dschinn nicht nur alle Fragen unbeantwortet, sondern fügte
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