Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
emporreichte. Sie bildeten hohe Stapel auf dem Boden, und als Rincewind genauer hinsah, glaubte er zu erkennen, daß sie sich zusammendrängten. Sie ruhten – beziehungsweise kauerten – auf allen Vorsprüngen.
    Auf irgendeine verstohlene Art und Weise, die nichts mit den üblichen sechs Sinnen zu tun hatte, beobachteten sie den Zauberer. Bücher verstehen es ausgezeichnet, Botschaften zu übermitteln (es müssen nicht unbedingt ihre eigenen sein), und Rincewind ahnte, daß sie ihm etwas mitzuteilen versuchten.
    Erneut gleißte es: grelles thaumaturgisches Glühen, das vom Turm kreativer Magie stammte und durch die kleine Öffnung im Dach herabfilterte.
    Rincewind nutzte die gute Gelegenheit, sah nach unten und bemerkte Wuffel, der an seinem rechten Fuß schnüffelte. Erleichterung durchströmte ihn. Wenn er jetzt auch noch das leise Knistern dicht neben dem linken Ohr identifizieren konnte…
    Ein dritter hilfsbereiter Blitz zuckte, und Rincewinds Blick fiel auf die kleinen gelben Augen des Patriziers, dessen Eidechsenpfoten geduldig über die Innenseite eines großen Einmachglases strichen. Es war ein sanftes, gedankenverlorenes Schaben. Offenbar hatte es Lord Vetinari nicht sehr eilig, in die Freiheit zurückzukehren; er schien weitaus mehr daran interessiert zu sein, wie lange es dauerte, sich durch das Glas zu kratzen.
    Rincewind musterte die birnenförmige Gestalt des Bibliothekars. »Es sind Tausende«, flüsterte er. Die Masse der Bücher beeindruckte selbst seine Stimmbänder. »Wie hast du es geschafft, sie rechtzeitig hierher zu bringen?«
    »Uff, uff.«
    »Was?«
    »Uff«, wiederholte der Orang-Utan und breitete die haarigen Arme wie Schwingen aus.
»Sie sind geflogen?«
    »Uff.«
    »Das können sie tatsächlich?«
    »Uff.«
    »Muß ziemlich eindrucksvoll gewesen sein. So etwas würde ich gern mal sehen.«
    »Uff.«
Nicht alle Bücher hatten es geschafft. Die meisten wichtigen Grimoires verließen die Bibliothek rechtzeitig, aber ein großes Werk über die geheimnisvolle Welt der Kräuter verlor ausgerechnet ihr Inhaltsverzeichnis, und so manche Trilogie ließ ihren dritten Band im Feuer zurück. Viele Bücher hatten Brandflecken auf den Titelseiten, und bei einigen fehlten die Umschläge ganz. Hier und dort baumelten traurige Fäden aus pergamentenen Rücken.
    Ein Streichholz entflammte, und an den Wänden knisterten besorgte Blätter. Sie beruhigten sich wieder, als sie den Bibliothekar sahen, der eine Kerze anzündete. Sein Schatten war groß genug, um einen Wolkenkratzer zu erklimmen, als er an der Treppe vorbeiwankte und sich einem Tisch näherte, auf dem unheimlich anmutende Werkzeuge lagen. Rincewind bemerkte auch mehrere Töpfe mit Klebmasse und einen Schraubstock, in dem eine schwer verwundete Broschüre steckte.
    Der Affe reichte ihm die Kerze, griff nach einem Skalpell, nahm auch eine Pinzette zur Hand und beugte sich über das zitternde Buch. Rincewind erblaßte.
    »Ähem«, sagte er. »Hast du was dagegen, wenn ich mich, äh, umdrehe? Ich kann den Anblick von Leim nicht ertragen.«
Der Bibliothekar schüttelte den Kopf, und sein energischer Daumen deutete auf ein Tablett mit Instrumenten.
    »Uff!« befahl er. Rincewind schnitt eine Grimasse und reichte ihm eine lange, dünne Schere. Er zuckte mehrmals zusammen, als der Bibliothekar beschädigte Blätter losschnitt. Sie fielen zu Boden.
    »Was hast du vor?« fragte der Zauberer.
»Uff.«
    »Eine Appendektomie? Oh.«
Erneut zeigte der Affe mit dem Daumen, ohne sich umzudrehen.
    Rincewind starrte auf das Tablett hinab, wählte eine Nadel samt Faden und legte beides in die ausgestreckte Hand des Bibliothekars. In der folgenden Stille hörte er nur ein leises Kratzen, als der Faden durch brüchiges Papier gezogen wurde. Schließlich richtete sich der OrangUtan auf und verkündete: »Uff.«
Rincewind holte ein Taschentuch hervor und wischte ihm die Stirn ab. »Uff.«
    »Nicht der Rede wert. Ist die… Operation gelungen?«
Der Bibliothekar nickte, und die vielen tausend Bücher im Kunstturm seufzten kaum hörbar.
    Rincewind setzte sich. Die Grimoires fürchteten sich. Sie waren sogar entsetzt. Die Präsenz des kreativen Magus’ jagte ihnen kalte Schauer über die ledernen Rücken, und Rincewind spürte deutlich den Druck der vielbändigen, gespannten Aufmerksamkeit. Einige Sekunden lang glaubte er zu fühlen, wie sich auch um ihn ein Schraubstock schloß.
    »Na schön«, murmelte er. »Aber was kann ich schon unternehmen?«
    »Uff.« Der

Weitere Kostenlose Bücher