Der Zauberhut
in meinen Palast zurückbringt – vielleicht, ja, vielleicht bin ich dann bereit, diesen Zwischenfall zu vergessen.«
Wuffel wandte sich von Krempels Stiefel ab, watschelte zu Münze und verlor unterwegs einige Haare.
»Dieser Schabernack hat lange genug gedauert«, sagte Lord Vetinari fest. »Ich werde wirklich langsam…«
Wuffel knurrte. Er gab ein dumpfes, urzeitliches Geräusch von sich, das bestimmte Erinnerungen im Rassengedächtnis aller Anwesenden weckte und sie in Versuchung führte, möglichst rasch einen hohen Baum zu erklettern. Es deutete auf graue Schemen hin, die in der Morgendämmerung des Universums auf Jagd gingen. Es ist wahrhaft verblüffend, wie drohend ein so kleiner und alter Hund wie Wuffel wirken kann, und was noch überraschender sein mag: Sein Knurren galt dem Stab des Jungen.
Der Patrizier trat vor, um nach dem Tier zu greifen. Im gleichen Augenblick hob Krempel die Hand und schickte einen blauen und orangefarbenen Blitz aus oktarinem Feuer durch den Saal.
Lord Vetinari verschwand. Wo er eben noch gestanden hatte, blinzelte nun eine kleine Eidechse und blickte sich mit echsenhafter Betroffenheit um.
Krempel starrte bestürzt auf seine Finger, so als sähe er sie jetzt zum erstenmal.
»Na schön«, flüsterte er heiser.
Einige Zauberer beobachteten die hechelnde Eidechse, drehten sich dann um und starrten ins helle Morgenlicht. Sie dachten an den Stadtrat, das Konzil der Wächter, die Gilde der Diebe, die Handelskammer und Priester und fast freien Kaufleute. Noch wußten die Bürger von Ankh-Morpork nicht, was ihnen bevorstand.
E s hat begonnen, erklang die Stimme des Hutes aus der Schachtel, die auf den Decksplanken des Schiffes lag.
»Was hat begonnen?« fragte Rincewind.
Die Herrschaft der kreativen Magie.
Rincewind runzelte die Stirn. »Ist das gut?«
Kannst du eigentlich verstehen, was man dir sagt? erkundigte sich der Hut skeptisch.
Rincewind fühlte sich auf vertrauteres Terrain versetzt. »Nein«, entgegnete er. »Nicht immer. Nicht oft. In der letzten Zeit eher selten.«
»Bist du wirklich ein Zauberer?« fragte Conina.
»Das ist die einzige Gewißheit meines Lebens«, sagte er überzeugt.
»Seltsam.«
Rincewind saß auf der Truhe und blickte übers Vordeck der Ozeanwalzer, die friedlich das grüne Wasser des Runden Meeres durchpflügte. Eine Zeitlang beobachtete er die Matrosen, die sich vermutlich mit überaus wichtigen nautischen Dingen beschäftigten. Er hoffte inständig, daß ihnen keine Fehler unterliefen, denn er haßte Tiefen fast ebenso hingebungsvoll wie Höhen.
»Du wirkst besorgt«, sagte Conina, die ihm gerade das Haar schnitt. Scharfe Klingen blitzen im Sonnenschein, und Rincewind versuchte, seinen Kopf möglichst klein zu machen.
»Kein Wunder. Ich bin besorgt.«
»Was hat es mit der sogenannten Apokralypse auf sich?«
Rincewind zögerte. »Nun…«, murmelte er und suchte nach den richtigen Worten. »Sie ist das Ende der Welt. In gewisser Weise.«
»In gewisser Weise? Das Ende der Welt in gewisser Weise? Meinst du etwa, wir können nicht ganz sicher sein? Sollen wir uns an den nächsten Passanten wenden und fragen: Entschuldige bitte, hast du irgend etwas gehört?«
»Weißt du, in diesem Zusammenhang vertreten die Seher verschiedene Standpunkte. Es gibt Dutzende von ebenso vagen wie unterschiedlichen Prophezeiungen, und einige von ihnen sind, äh, ziemlich exotisch. Deshalb nannte man die ganze Sache Apokralypse.« Er zwinkerte verlegen. »Es ist sozusagen eine apokryphische Apokalypse. Gefällt es dir?«
»Nein.«
»Dachte ich mir.« 11
Coninas Schere schnippte geschäftig.
»Offenbar ist der Kapitän froh darüber, daß wir an Bord sind«, sagte die junge Frau nach einer Weile.
»Er hält es für ein gutes Omen, in Begleitung eines Zauberers unterwegs zu sein«, erklärte Rincewind. »Da irrt er sich natürlich.«
»Viele Leute glauben an so etwas«, meinte Conina.
»Sie haben auch allen Grund, sich über die Anwesenheit eines Zauberers zu freuen. Ganz im Gegenteil zu mir. Ich kann nicht schwimmen.«
»Nicht einmal einige Meter weit?«
Rincewind zögerte erneut und drehte vorsichtig den Stern an seinem Hut.
»Wie tief ist das Meer an dieser Stelle?« erkundigte er sich. »Mir genügt eine Schätzung.«
»Nun, etwa zwölf Faden, nehme ich an.«
»Dann kann ich etwa zwölf Faden weit schwimmen, wie tief das auch sein mag.«
»Hör endlich auf, so schrecklich zu zittern«, sagte Conina streng. »Ich hätte dir fast das Ohr abgeschnitten.«
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