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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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in dieser Hinsicht sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Der Leser sollte bei seinen Vorstellungen nicht nur eine Menge Öl und Fett berücksichtigen, sondern auch schweißtreibende Hitze, lautes Geschrei, Fässer mit Kaviar, gebratene Ochsen und lange Stricke mit Würsten, die wie Papierschlangen von Wand zu Wand reichten. Der Chefkoch hatte sich in eins der kühleren Zimmer zurückgezogen und arbeitete hingebungsvoll an einem Modell der Universität. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen wählte er Butter als Darstellungsmasse. Er präsentierte immer solche Kunstwerke, wenn ein Fest anstand – Butterschwäne, Buttergebäude, ganze ranzige Menagerien –, und er fand solchen Gefallen daran, daß niemand den Mut aufbrachte, im Einhalt zu gebieten.
    Unterdessen durchstreifte der Butler das Kellerlabyrinth, wandte sich den Weinfässern zu, füllte Dutzende von Karaffen und nahm seine Pflicht wahr, indem er sorgfältig probierte. Als er sich auf den Rückweg machte, taumelte er leicht.
    Selbst die Raben ließen sich von der Aufregung anstecken. Sie wohnten im Kunstturm, der fast dreihundert Meter weit gen Himmel ragte und als höchstes Gebäude auf der Scheibenwelt galt. Das verwitterte Gestein bildete die Grundlage für einen prächtig gedeihenden Miniaturwald hoch über den Dächern der Stadt. Völlig neue Gattungen von Käfern und kleinen Säugetieren entwickelten sich dort, und da sich nur selten jemand in den Turm verirrte – er wies die unangenehme Eigenschaft auf, schon bei leichtem Wind zu schwanken –, fühlten sich die Raben dort völlig ungestört. Doch jetzt schwirrten sie nervös umher, wie Mücken kurz vor einem Gewitter. Es wäre nicht unbedingt falsch gewesen, wenn jemand den Kopf gehoben, die Vögel beobachtet und Verdacht geschöpft hätte.
    Etwas Schreckliches bahnte sich an.
Sie wissen das bereits, nicht wahr?

    B etreffende Ahnungen beschränken sich nicht nur auf den Leser. »Was ist denn los?« rief Rincewind, um das laute Rasseln, Knistern und Knarren zu übertönen.
    Der Bibliothekar duckte sich, als ein in Leder gebundenes Buch aus dem Regal sprang und am Ende seiner Kette verharrte. Er warf sich zu Boden und landete auf einer Ausgabe von Malefizius’ Entdekung der Dähmonologie, die mit fanatischem Eifer an ein nahes Pult hämmerte.
    »Uff!« sagte er.
    Rincewind preßte die Schulter an ein zitterndes Regal, und mit den Knien zwang er einige trotzige Bände an ihren angestammten Platz zurück. Es herrschte ein schier ohrenbetäubender Lärm.
    Magische Bücher führen ein gewisses Eigenleben, und einige von ihnen sind entschieden zu vital. Exemplare der ersten Auflage des Necrotelicomnicon müssen zum Beispiel zwischen zwei dicken Stahlplatten aufbewahrt werden. Die Ware Cunst der Levitazion verbrachte die letzten hundertfünfzig Jahre auf dem Dachboden, und Schoiderig Heißbluts Kompändium über sechssuelle Magieh liegt in einem mit Eis gefüllten Faß; es hat ein ganzes Zimmer für sich allein, und die Tür war vorsichtshalber mit zwei Riegeln und vier Schlössern gesichert. Eine strenge Regel besagt, daß es nur von Zauberern gelesen werden darf, die mindestens achtzig Jahre alt oder tot sind.
    Aber selbst die gewöhnlichen Grimoires und Inkunabeln in den Hauptregalen waren so unruhig wie die Bewohner eines Hühnerhauses, das von einem Fuchs besucht wird. Zwischen den geschlossenen Deckeln kratzte es leise, so als strichen Klauen übers Pergament.
    »Was hast du gesagt?« schrie Rincewind.
»Uff!« 2
    »Genau!«
    Als ehrenamtlicher stellvertretender Bibliothekar beschränkte sich Rincewinds Tätigkeit im großen und ganzen darauf, Indexlisten zu erstellen und Bananen zu holen. Er bewunderte die routinierte Kompetenz seines Vorgesetzten, der gelassen an den Regalen vorbeiwankte, hier tröstend über einen schwarzen Band strich und dort einige erschrockene Wörterbücher mit leisem Affenmurmeln beruhigte.
    Nach einer Weile ließ die literarische Panik in der Bibliothek nach, und Rincewind wagte es, sich zu entspannen.
    Doch es war ein trügerischer Frieden. An vielen Stellen knisterten Blätter, und in fernen Regalen knarrten trotzige Buchrücken. Nach der ersten Aufregung ließ sich die nervöse Wachsamkeit der Bibliothek mit der einer Katze vergleichen, die das gut gefüllte Lager einer Schaukelstuhlfabrik durchstreift.
    Der Bibliothekar kehrte zurück. Sein Gesicht konnte nur in einem Lastwagenreifen Sympathie wecken und zeigte ein ständiges schiefes Lächeln, das jedoch über

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