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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ins Freie.
    Die Reste des einst so prächtigen Palastes brachen auseinander, und die einzelnen Fragmente rasten davon und bildeten weite Bögen, die dort endeten, wo zuvor der Turm kreativer Magie gestanden hatte. Es sah aus wie eine umgekehrte vulkanische Eruption.
    »Die Zauberer bauen einen neuen Turm!« stieß Nijel hervor. »Und als Baumaterial verwenden sie meinen Palast«, ächzte Krösus.
    »Der Hut des Erzkanzlers hat gewonnen«, sagte Rincewind. »Er errichtet nun seine eigene Festung. Eine typisch magische Reaktion. Zauberer neigen immer dazu, sich mit einem Turm zu schützen. In dieser Hinsicht ähneln sie… Wie nennt man die Dinge, die man am Grund eines Flusses findet?«
    »Frösche.«
    »Steine.«
    »Die Leichen erfolgloser Verbrecher?«
    »Nein, ich meine die Larven von Köcherfliegen«, sagte Rincewind.
    »Beziehungsweise Muscheln, die gerade umziehen und eine neue Schale suchen. Wenn sich Zauberer auf einen Kampf vorbereiten, bauen sie sich zunächst einen Turm.«
    »Er ist ziemlich groß«, stellte Nijel fest.
»Und hoch«, fügte Rincewind düster hinzu.
»Wohin fliegen wir jetzt?« fragte Conina.
Rincewind zuckte mit den Achseln.
»Weg von hier«, antwortete er.
Als sie die äußeren Mauern des Palastes überquerten, erbebten die Wälle unter ihnen und platzten langsam auseinander. Tausende von Steinen segelten empor und gesellten sich den anderen hinzu, die den wachsenden Turm wie mit einem Halo umgaben.
    »Na schön«, sagte Conina nach einer Weile. »Wie hast du den Teppich dazu gebracht, dir zu gehorchen? Macht er tatsächlich immer das Gegenteil dessen, was man von ihm verlangt?«
    »Nein. Ich habe nur auf die elementaren Einzelheiten der räumlichen Ausrichtung geachtet.«
    »Was meinst du damit?«
    »Soll ich es dir in Begriffen erklären, die auch ein Nicht-Zauberer versteht?«
    »Ich bitte darum.«
    »Der Teppich lag falsch herum«, sagte Rincewind. »Mit der Oberseite nach unten.«
    Einige Sekunden lang saß Conina völlig still. »Eigentlich ist diese Art der Fortbewegung sehr angenehm«, verkündete sie schließlich. »Ich bin zum erstenmal auf einem fliegenden Teppich unterwegs.«
    »Mir ergeht es nicht anders«, gestand Rincewind ein.
»Du fliegst ihn sehr gut«, sagte die junge Frau.
»Danke.«
    »Wenn ich mich recht entsinne, leidest du an Höhenangst.«
    »An Höhenentsetzen, um ganz genau zu sein.«
    »Du wirkst ganz ruhig und gelassen.«
    »Ich versuche, keinen Gedanken daran zu verschwenden, was sich nicht unter uns befindet.«
    Rincewind drehte sich um und beobachtete den Turm. Inzwischen ragte er noch weiter empor, und weit oben keimten Zinnen und Minarette. Ein Ziegelschwarm schwebte darüber, und einzelne Schindeln lösten sich daraus, sausten wie ein keramisches Bombergeschwader herab und fügten sich zu einem Dach zusammen. Das Gebäude war unglaublich hoch. Die Steine tief unten hätten sicher längst unter dem enormen Gewicht nachgegeben, wenn nicht die ausgleichende Kraft der Magie gewesen wäre.
    Rincewind stöhnte innerlich, als er sich an seine Zeit in der Unsichtbaren Universität erinnerte. Zweitausend Jahre sorgfältig organisierter und friedlicher Zauberei fanden nun ein ebenso abruptes wie fatales Ende. Erneut wurden Türme gebaut, und die sich verdichtende pure Magie konnte nicht ohne schlimme Folgen bleiben. Wahrscheinlich betrafen die apokralyptischen Konsequenzen das ganze Universum. Zuviel Magie krümmte Raum und Zeit so sehr, daß in der Realität unentwirrbare Knoten entstanden. Wer daran gewöhnt war, daß auf Ursachen einigermaßen voraussehbare Wirkungen folgten, mußte sich auf einschneidende Veränderungen gefaßt machen.
    Natürlich gab es kaum eine Möglichkeit, Nijel, Conina und Krösus solche Dinge zu erklären. Gewisse Phänomene schienen sich ihrem Verständnis zu entziehen. Sie begriffen einfach nicht, was es mit Unheil und Verhängnis auf sich hatte. Nach wie vor hielten sie an der schrecklichen Illusion fest, es gebe noch Hoffnung. Offenbar blieben sie entschlossen, die Welt nach ihrem Willen zu formen oder bei einem entsprechenden Versuch zu sterben. Solche Aussichten bewirkten in Rincewind mehr als nur vages Unbehagen. Wer starb – ganz gleich, aus welchem Grund – erlitt meistens den Tod, und der Tod stand leider in dem Ruf, sehr endgültig zu sein.
    Eigentlich diente die thaumaturgische Organisation in der alten Universität nur einem Zweck: Sie sollte einen mehr oder weniger stabilen Frieden zwischen Zauberern gewährleisten, die

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