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Der Zauberhut

Der Zauberhut

Titel: Der Zauberhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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begnügen, was er dort fand. Tja, er besaß überhaupt nichts, abgesehen von einem fliegenden Teppich, einer magischen Lampe, einem thaumaturgischen Ring und mehreren mit Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten gefüllten Kisten.«
    »Aller Anfang ist schwer«, kommentierte Rincewind ironisch.
    Conina breitete den Teppich aus. Er zeigte ein komplexes Muster, das aus goldenen Drachen auf blauem Grund bestand. Rincewind beobachtete aufwendig ausgeführte Ungeheuer mit langen Bärten, Ohren und Schwingen, und sie schienen in einem außerordentlich komplizierten Bewegungsablauf erstarrt zu sein. Sie erweckten den Eindruck, als habe gerade ein mysteriöser Veränderungsprozeß begonnen, und der aufmerksame Betrachter ahnte, daß der Teppich in einem multidimensionalen Webstuhl entstanden war. Wenn er länger Ausschau hielt, sah er plötzlich blaue Drachen auf goldenem Grund, und dann entstand ein sehr unangenehmes Gefühl in ihm. Vielleicht fürchtete er sogar um sein geistiges Wohl, und dafür gab es einen guten Grund: Wer beide Drachenarten zugleich erkannte, lief Gefahr, von einem Augenblick zum anderen überzuschnappen – vielleicht die Erklärung dafür, daß der Großvater des Serif so häufig gekichert hatte.
    Rincewind wandte den Blick mühsam ab, als das Gebäude unter der Druckwelle einer weiteren Explosion erzitterte.
»Wie funktioniert das Ding?« fragte er.
    Krösus zuckte mit den Schultern. »Ich bin nie damit geflogen«, antwortete er. »Wahrscheinlich sagt man einfach nur ›nach oben‹ oder ›nach unten‹ und so.«
    »Wie wär’s mit ›Flieg durch die Wand‹?«, schlug Rincewind vor. Seine drei Begleiter hoben den Kopf und beobachteten die hohen und massiven Wände.
    »Wir könnten darauf Platz nehmen und ihn aufsteigen lassen«, meinte Nijel. »Dicht unter der Decke sagen wir dann ›Halt‹.« Er dachte darüber nach und fügte hinzu: »Vorausgesetzt, das ist das richtige Wort.«
    »Ich kenne noch einige andere«, sagte Rincewind. »Sie alle haben etwas mit ›fallen‹ zu tun.«
    »›Abstürzen‹«, murmelte Conina unheilvoll.
    »Natürlich könntest du es auch mit einer Zauberformel versuchen«, sagte Nijel. »An magischer Energie mangelt es gewiß nicht.«
    »Äh…«, machte Rincewind. »Nun…«
    »Auf deinem Hut steht ›Zaubberer‹«, erinnerte Krösus.
»Es ist nicht weiter schwer, irgend etwas auf Hüte zu schreiben«, sagte Conina. »Außerdem darf man nicht alles glauben, was geschrieben steht.«
    »He, wartet mal…«, begann Rincewind entrüstet.
Sie warteten.
Sie warteten noch etwas länger.
»Es ist nicht annähernd so leicht, wie ihr glaubt.«
    »Was habe ich euch gesagt?« Conina seufzte. »Ich schätze, wir müssen uns mit den Fingernägeln durch die Wand kratzen.«
    Rincewind brachte sie mit einer fahrigen Geste zum Schweigen, nahm den Hut ab, pustete Staub vom Stern an der Spitze, setzte ihn wieder auf, rückte die Krempe zurecht, rollte die Ärmel hoch, spreizte die Finger – und geriet in Panik.
    Da er nicht wußte, wie er sich nun verhalten sollte, lehnte er sich ans Gestein.
Es vibrierte. Es reagierte nicht etwa auf ein Zittern des Bodens. Nein, das Pulsieren entstand im granitenen Herzen der Mauer.
    Rincewind hatte solche Vibrationen schon einmal gespürt, in der Universität, kurz vor dem Eintreffen des kreativen Magus’. Die Wand fürchtete sich.
    Er schob sich daran entlang und preßte das Ohr an einen kleineren, keilförmigen Stein, der nur den Zweck erfüllte, eine winzige Lücke zu füllen. Er gehörte nicht zu den großen, gesetzten Blöcken, die auf ihre Masse vertrauten, um allen Gefahren zu begegnen. Es handelte sich eher um einen schmächtigen Winzling, der sich nichts weiter wünschte, als zu wachsen und architektonische Erfüllung zu finden. Vermutlich fühlte er nun seine Hoffnung bedroht; kein Wunder, daß er stärker zitterte als seine Kollegen.
    »Pscht!« machte Conina.
    »Ich kann überhaupt nichts hören«, sagte Nijel laut. Er war einer von den Leuten, die sofort den Kopf drehen und wie eine Eule glotzen, wenn man ihnen sagt: »Sieh nicht hin!« Kennen Sie diese besondere Spezies Mensch? Angehörige von speziellen Untergattungen heben unweigerlich den Fuß und zertreten junge Blüten, wenn man sie bittet, auf einen hübschen Krokus achtzugeben. Wenn man ihnen die wertvollen Kristallgläser der Urgroßmutter zeigt, muß man damit rechnen, den einen oder anderen Kelch einzubüßen. Sie streifen ihre Schuhe an der Fußmatte ab und bringen es dennoch

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