Der Zauberhut
Finger. Seine Lippen bildeten einen dünnen Stich, und er hielt die Augen geschlossen, um sich besser darauf zu konzentrieren, die gewaltigen magischen Kräfte im Gleichgewicht zu halten. Normalerweise konnten Zauberer nur Energien beherrschen, die dem eigenen körperlich-geistigen Leistungsvermögen entsprachen, aber Abrim lernte schnell.
Er verwandelte sich in ein metaphorisches Nadelöhr, in die enge Stelle zwischen den beiden Hälften einer Sanduhr, in ein Ventil, das sich nach Belieben öffnete und schloß. Er wurde zu einer dünnen Haut, die eine dicke magische Wurst enthielt.
Wenn du es richtig anstellst, bist du die Macht, dachte Abrim. Dann gehört sie zu deinem Selbst. Dann kannst du sie frei verwenden.
Der Wesir bereitete sich darauf vor, den Turm in Ankh-Morpork mit einer neuen Zauberformel anzugreifen, die tausend besonders dämonische Dämonen entstehen lassen sollte, doch bevor er Gelegenheit fand, die thaumaturgische Energie freizusetzen, klopfte es plötzlich laut an der Tür.
Seltsamerweise fehlte eine Klingel, und das bewies einmal mehr die eklatante Einfallslosigkeit der Zauberer. Sie kennen das sicher: Ganz gleich, mit welcher Tür man es zu tun hat – es gibt praktisch immer einen Knopf, der nur darauf gewartet, gedrückt zu werden, um den Nichtsahnenden mit irgendeinem mehr oder weniger gräßlichen Glockenspiel zu entsetzen. Selbst fanatische Musiker, die fünf Jahre lang Ohrklappen getragen haben, schrecken davor zurück, sich derartige Melodien anzuhören.
Ein Zauberer wandte sich um und stellte die übliche Frage. »Wer klopft mitten in der Nacht an die Tür?«
Das Pochen wiederholte sich, klang etwas energischer.
»Dort draußen hat bestimmt niemand überlebt«, antwortete ein anderer Magier. Er klang recht nervös. Kein Wunder: Wenn jenseits der Pforte niemand mehr lebte, mußte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß ein Untoter Einlaß verlangte.
Der Unbekannte klopfte erneut, so wuchtig, daß die Tür in den Angeln erzitterte.
»Einer von uns sollte besser nachsehen«, sagte der erste Zauberer. »In Ordnung. Ich warte hier.«
»Ah. Oh. Na schön.«
Der Mann trat zögernd durch den Gang.
»Ich werfe also einen kurzen Blick nach draußen, in Ordnung?« fragte er unsicher.
»Ausgezeichnete Idee.«
Es war eine sonderbare Gestalt, die sich widerstrebend der Tür näherte. Normale Umhänge gewährten keinen ausreichenden Schutz vor den überaus starken magischen Kraftfeldern im Turm. Über erlesenem Samt und gestärkten Spitzen trug der Zauberer einen dicken Coverall, dessen Polster Ebereschenspäne enthielten. Hinzu kamen einige ausreichende feste Platten aus Asbest. Von der Hutkrempe reichte eine getönte Scheibe herab, und die bemerkenswert dicken Handschuhe schienen von jemandem zu stammen, der häufig mit glühenden Eisenkugeln jonglierte. Das aktinische Gleißen und Irrlichtern der oktarinen Säule projizierte scharfkantige Schatten (man konnte sich tatsächlich an ihnen schneiden), als der Zauberer die Riegel beiseite schob.
Vorsichtshalber klappte er das Visier herunter, bevor er die Tür einen Spaltbreit öffnete.
»Wir wollen keine Be…«, begann er. Er hätte bessere Worte wählen sollen, denn sie wurden zu seinem Epitaphium.
Es dauerte eine Weile, bis der zweite Zauberer Verdacht schöpfte und die Treppe verließ, um nach dem Rechten zu sehen. Die Pforte stand weit offen, und draußen brodelte thaumaturgisches Inferno über die Zauberformeln, die den Turm abschirmten. Seltsamerweise war die Tür nicht ganz nach innen geschwungen. Der Magier trat langsam näher, um festzustellen, was sie daran hinderte, die Wand zu berühren.
Er sah einen schmierigen Fladen, an dem einige Pailletten und Asbestfasern klebten.
Hinter ihm kratzte etwas.
»Wa…«, stieß er hervor und bekam keine Chance mehr, dieser ziemlich phantasielosen Silbe einen zitatfähigen Ausspruch hinzuzufügen.
H och über dem Runden Meer kam sich Rincewind allmählich wie ein Narr vor.
Früher oder später macht jeder eine solche Erfahrung.
Sie stehen zum Beispiel irgendwo an der Theke, und jemand stößt Sie an. Daraufhin drehen Sie sich verärgert um, verschlucken jedoch den Fluch auf Ihren Lippen, als Sie in Augenhöhe den Gürtel eines Mannes sehen, der nicht geboren, sondern aus hartem Fels gemeißelt zu sein scheint.
Oder ein Kleinwagen bremst nicht rechzeitig und rammt Ihre Luxuskarosse. Sie steigen wütend aus, aber als Sie dem anderen Fahrer die Faust zeigen wollen, beobachten Sie
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