Der Zauberspiegel
Stimmen zu ihr, und sie spitzte die Ohren, als sie ihren Namen hörte.
»… Soldaten verfolgt.« Das war Ranon.
»Könnte sie eine Spionin sein, Ranon?«, fragte Yorim. Sie verstand seine Zweifel, denn sie war eine Fremde für ihn. Doch eine Spionin? Sie? Das war doch lächerlich.
»Ich denke nicht.«
Yorim schnaubte. »Ich hoffe, du hast recht.« Die Männer entfernten sich.
Kurz darauf betrat Alys die Küche. Juliane verbarg ihre Blöße, so gut es ging, doch um Alys’ Lippen zuckte es. Mit spöttischer Miene reichte sie Juliane ein Tuch zum Abtrocknen und legte ein Kleiderbündel auf den Tisch. »Neue Sachen.«
»Danke.« Juliane wickelte sich das Tuch um den Körper und stieg aus dem Bottich. Das erste Kleidungsstück ähnelte Alys’ Kleid. Daneben lagen noch ein Paar Schuhe, die wie Mokassins aussahen und eine Schürze. Juliane nahm das Kleid und drehte das hässliche Stück Stoff unschlüssig hin und her.
»Ist damit irgendetwas nicht in Ordnung?«, fragte Alys und klang verärgert.
Alles, lag Juliane auf der Zunge, doch sie verkniff es sich. Bestimmt wäre Alys dann beleidigt. Schließlich schien es ihrem Geschmack zu entsprechen.
»Doch schon, ich bin nur keine Kleider gewohnt. Eher Hosen. Du könntest nicht zufällig …« Juliane ließ den Satz so stehen und hoffte auf Verständnis. Von Frau zu Frau versteht sich.
»Damit du herumläufst wie eine Amazone?« Alys klang entsetzt.
Juliane seufzte. »Klingt, als hättest du was gegen Amazonen.« Alys schien recht tough. Sie vertrug es, wenn Juliane sich nicht zurückhielt.
»Nein.« Alys rümpfte die Nase, während sie Juliane vom Scheitel bis zur Sohle musterte. »Nur bist du keine.«
»Ach ja?« Nun wurde sie doch sauer.
»Nein«, Alys grinste süffisant. »Amazonen sind zwei Meter groß, spucken Feuer und haben Schuppen.«
Da Juliane nicht sicher war, ob das der Wahrheit entsprach oder Alys sie nur aufziehen wollte, musste sie klein beigeben. Dann eben Kleider statt Hosen. Ein Grummeln hinunterschluckend, zog sie sich das Kleid über. »Ich glaube nicht, dass du jemals eine Amazone gesehen hast«, erklärte Juliane, während sie das Gewand zurechtzupfte. Der Stoff fühlte sich genauso rau und unangenehm an , wie er aussah, aber gleichzeitig wirkte seine Berührung auf ihrer Haut vertraut, als hätte sie schon viele Male derartige Kleidung getragen. Juliane schlüpfte in die Schuhe, richtete sich auf und verschränkte die Finger, bis die Knöchel vernehmlich knackten. Alys gab einen seltsamen Laut von sich.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Juliane.
Alys nickte mit weit aufgerissenen Augen. Sie zog einen Kamm aus ihrer Schürze und näherte sich Juliane. »Ich flechte dir die Haare.«
Schweigend ließ sie die Prozedur über sich ergehen. Es war lange her, dass jemand sie frisiert hatte. Es war seltsam, behandelt zu werden wie ein Kind. Leider stellte sich Alys ziemlich ungeschickt an. »Bist du Yorims Tochter?«, fragte sie, um sich von dem schrecklichen Ziepen abzulenken.
Alys kicherte. »Nein, ich bin hier die Magd.«
Wie bitte? Alys konnte kaum älter sein als sie. »Bist du nicht zu jung, um schon zu arbeiten?«
Alys lachte schallend. »Wo kommst du denn her? Ich arbeite seit meinem zwölften Sommer für Yorim.«
Juliane gefiel nicht, dass Alys über sie lachte, doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie kam sich dumm vor. Sie wusste nichts über diese Welt und ihre Menschen. Hier sollte sie gebraucht werden? Wobei denn?
»Ist Yorim ein guter Mann?«
»Er schlägt mich nicht und zu essen kriege ich auch reichlich. Ich glaube nicht, dass ich mich beklagen kann.« Alys klopfte Juliane auf die Schulter. »Fertig, komm mit in die Stube. Wir haben dir Essen aufgehoben.«
Die Stube war ähnlich karg möbliert wie die Küche. An der hinteren Wand stand ein großer Schrank. Gegenüber befanden sich eine Bank und Stühle vor einem ausladenden Tisch.
Juliane setzte sich auf die Bank und bekam eine Schale mit dampfender Suppe, in der Gemüsebrocken schwammen und eine dicke, gebutterte Scheibe Brot zugeschoben. »Wo ist Ranon?«
»Er hat mit den anderen gegessen«, erklärte Alys. Sie kehrte ihr den Rücken zu. »Ich muss an meine Arbeit.« Sie nahm das schwere Tablett mit dem benutzten Geschirr vom Tisch und ließ Juliane allein.
Ihr Magen knurrte laut. Herzhaft biss sie in das Brot. Noch ehe sie geschluckt hatte, hob sie die Schale an ihre Lippen, ohne sich mit dem klobigen Löffel aufzuhalten. Um sich mit
Weitere Kostenlose Bücher