Der Zauberstein von Brisingamen
trat vorsichtig ein.
Als er den Raum mit den Vorhängen leer vorfand, war er verwirrt, aber er hatte keine Zeit weiterzusuchen, denn als er sich gerade an der Küchentür zu schaffen machen wollte, wurde sie aufgestoßen und Durathror prallte mit ihm zusammen! Er strahlte vor Freude und wirbelte Fenodyree in den Garderobenraum, in dem die Kinder sich vor kurzem versteckt hatten, und schloss die Tür. Sekunden später stürzte Grimnir, von der Gestaltwandlerin gefolgt, durch die Küchentür. Das leere Zimmer, die offene Tür.
«Der Zwerg hat ihn genommen!», schrie die Gestaltwandlerin, und die beiden stürmten in den Nebel hinaus.
«Hast du den Stein?», wisperte Fenodyree ungläubig.
«Nein, aber er ist in guten Händen!»
Sie traten aus der Garderobe. Der Nebel hatte sich verzogen, und in der Ferne bellte ein Hund.
«Ich konnte die Morthschufte nicht töten, da ihre Zauberkraft stärker ist als mein Schwert, aber sie werden seine Stiche noch manchen Tag spüren.» Durathror kicherte. «Eigentlich wollte ich ja zu dir, aber als ich dieses Zimmer da betrat, sah ich zwei Dinge, die mich stutzig machten. Ein Schrank steht da an der Wand, und einer von Morrigans Hunden bellt ihn an. Die Tür war aber zu, und ich hatte gesehen, wer sie geschlossen hatte –
eine kleine weiße Hand, Vetter, und am Handgelenk funkelte Feuerfrost! Das Untier habe ich erschlagen, den Rest kennst du.»
Fenodyree lief in die Küche.
«Kommt heraus, Kinder! Susan! Colin!» Er packte den Griff der Schranktür. «Oh, man wird noch an euch denken, wenn…»
Er starrte in den Schacht und sah ein hölzernes Rechteck, das ihm aus großer Tiefe entgegenkam, rasch größer werden.
«Und es war reines Glück, das uns zu euch führte, wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben», sagte Durathror.
«Wenn wir das bloß gewusst hätten!», rief Susan.
«Tja», sagte Fenodyree, «wenn. Dann wären wir jetzt längst in Fundindelve.»
Die Kinder erzählten nun ihre Geschichte, und als sie die Überquerung der Planke beschrieben, wurden die Zwerge ganz aufgeregt.
«Beim Haar des Mondhundes!», rief Durathror. «Und ihr seid nicht weitergegangen?»
«Oh doch», sagte Colin. «Aber der Tunnel endete auf einer Plattform über einem See.»
Durathror hielt beide Hände vors Gesicht und stöhnte in gespielter Verzweiflung.
«Hättet ihr nur gewusst», sagte Fenodyree traurig, «dass das Wasser kaum mehr als dreißig Zentimeter tief ist; von dort führt der Weg zum Tor, keine halbe Meile weiter.» Nach dieser Enthüllung war den Kindern erst einmal nicht mehr nach Sprechen zumute. Sie rückten enger zusammen, beide ganz in – dieselben – Gedanken versunken. Da saßen sie nun am Boden eines Schachts, am Ende der Welt. Sie hatten den Zauberstein von Brisingamen zurückerobert, aber dieser Erfolg entpuppte sich als der Anfang und nicht als das Ende der Gefahr, und sie wagten gar nicht daran zu denken, wohin das alles noch führen würde.
«Wir müssen jetzt weiter», sagte Fenodyree.
Nachdem das Licht eingeschaltet war, untersuchten Colin und Susan zum ersten Mal eingehend ihre Umgebung. Und da dämmerte ihnen die entsetzliche Wahrheit. Es führte zumindest kein erkennbarer Weg aus der Kammer hinaus. Zwei Tunnel gingen in unterschiedliche Richtungen, waren aber überflutet, und die Decken wurden immer niedriger, bis sie schließlich mit dem grünlichen Wasser zusammentrafen.
«Fenodyree! Wie kommen wir hier raus?»
«Hm ja, Vetter», sagte Durathror, «die ganze Zeit, seit ich hier bin, habe ich nach einem Ausweg gesucht, aber ich sehe keinen.»
Fenodyree nickte in Richtung des kleineren der beiden Tunnel.
«Habe ich nicht gesagt, der Weg sei mühsam? Colin, ist dein Butterbrotpapier wasserdicht?»
«Ja, ich denke schon. Aber Fen…!!»
«Bevor wir losgehen, wickle deine Lampe darin ein. Ihr werdet euch eine Weile nur auf meine Augen verlassen müssen.»
«Und gibst du mir deine Tüte für Valham, meinen Mantel?», fragte Durathror Susan.
Er knöpfte seinen gefiederten Mantel auf und rollte ihn fest zusammen, damit er in die Butterbrottüte passte, die Susan in ihrem Rucksack verstaute, der, wenn überhaupt verändert, nun eher leichter zu sein schien.
«Macht das Licht aus», sagte Fenodyree. «Und seid tapfer.»
Vierzehntes Kapitel
Earldelving
Das Wasser war so kalt, dass es ihnen den Atem verschlug. Selbst Durathror, der hartgesottene Kämpe, konnte den Schrei nicht ersticken, der sich durch den ersten Schock von seinen Lippen
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