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Der Zauberstein von Brisingamen

Der Zauberstein von Brisingamen

Titel: Der Zauberstein von Brisingamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Garner
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er etwas weiter hinab, und bald war Colin mit seinen Gedanken allein gelassen. Susan und Fenodyree kletterten schnell, denn die einzelnen Vorsprünge waren unsicher und boten gerade einem Finger oder Zeh Platz, häufig nicht einmal das. Länger als ein paar Sekunden innezuhalten brachte sie in ernsthafte Gefahr abzustürzen. Den Schwung beizubehalten war jedoch nicht einfach, und mehr als einmal war Susan kurz davor, die Kontrolle über ihre Geschwindigkeit zu verlieren; mit Fenodyrees Hilfe gelang es ihr aber, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden tödlichen Extremen zu finden. Colin hatte nichts anderes zu tun, als einen Krampf zu vermeiden und dem schrumpfenden Lichtkegel und der verkleinerten Silhouette seiner Schwester nachzusehen. Und während er so schaute, wurde er allmählich auf eine optische Täuschung aufmerksam. Da er selbst in völliges Dunkel gehüllt war, konnte er von dem Schacht lediglich das kleine, von der Lampe in Fenodyrees Hand erhellte Stück sehen; und indem dieses sich von ihm fortbewegte, ging ihm sein Sinn für Perspektive und Entfernung verloren, sodass er auf ein im Raum schwebendes Bild zu blicken schien, auf eine bewegte Kamee, die kleiner wurde, aber sich scheinbar nicht bewegte.
    Er war von diesem Phänomen so fasziniert, dass er weder die Kälte noch die Belastung, die seine eingezwängte und unabänderliche Lage verursachte, sonderlich registrierte. Der Lichtfleck schrumpfte, bis er nicht mehr größer als eine Streichholzschachtel zu sein schien, und Colin fragte sich gerade, wie tief der Schacht wohl sein mochte, als das Licht erlosch. Doch ehe er Zeit hatte, sich ernstlich zu beunruhigen, hörte er Fenodyrees Stimme zu ihm hochrufen, obgleich er kein Wort davon verstand, denn die Entfernung und der Schacht dämpften den Ruf zu einem dunklen Widerhall, aus dem nicht ein einziges verständliches Wort zu entnehmen war.
    Jedenfalls klang die Stimme nicht drängend, weshalb er annahm, dass Susan unten angelangt und Fenodyree auf dem Weg nach oben war – was ihm der Zwerg auch tatsächlich hatte mitteilen wollen. Colin musste nicht lange warten, bis die Lampe einen Meter unter der Stelle, an der er saß, aufflammte.
    «Puh», sagte Fenodyree, «ich habe diesen… Schacht… ganz schön satt! Durathror!»
    «Ja?»
    «Wenn wir… unten… sind… werde ich… rufen. Was ist…
    mit den Svarts?»
    «Die haben einen anderen Weg eingeschlagen. Weitere folgen ihnen.»
    Der Fels, auf dem Susan rastete, lag am Fuß einer hohen Wand. Der Schacht hatte an dieser Stelle einen Knick, wie das Knie eines Abflussrohrs, und Fenodyree hatte gesagt, der eigentliche Boden des Schachts befände sich nicht mehr viel tiefer.

    Susan bewegte ihre verkrampften Finger und Zehen. Der Abstieg war im Großen und Ganzen nicht allzu schlimm gewesen, nachdem sie erst einmal einen Rhythmus gefunden und ihre Nerven sich beruhigt hatten, doch auf den letzten fünfzehn Metern fiel die Wand ganz steil ab und die Belastung war zu anstrengend für ihre Hände gewesen. Dreimal war sie nur durch Fenodyrees schnelle Reaktion davor bewahrt worden abzustürzen.
    Die Stimme des Zwergs riss Susan aus ihren Gedanken. Sie sah, dass Colin sich an die letzte Etappe machte, an die kritischen fünfzehn Meter. Er ließ sich über die Kante hinab, die das Ende der Schräge bildete, und es erging ihm nicht besser als seiner Schwester. Die Schrammen sollten ihn noch tagelang daran erinnern. Und wie Fenodyree es hier schaffte, mit nur einer freien Hand zu klettern, war ein Wunder. Er hatte jetzt fast schon seine dritte Tour den Schacht hinauf und hinunter hinter sich, und da stand er und nahm Colins Gewicht auf seine Schultern und bugsierte ihn zum nächsten Absatz.
    «Noch sechs Meter, Colin, dann sind wir da! Bring deine linke Hand an die Innenseite deines rechten Knies. Deine andere Hand wird auch noch da hinpassen. Ruhig! Jetzt lass dich so weit herunter, wie deine Arme es erlauben. Da ist Platz für deinen linken Fuß. Rechte Hand nach außen in Schulterhöhe; nicht so weit! Da. Rechten Fuß fünfzehn Zentimeter nach unten.» Fenodyree erreichte die Felsplatte.
    «Und jetzt die linke Hand neben deine Hüfte…»
    Eine Minute später stand Colin neben Susan.
    «Noch sind wir nicht ganz unten», erinnerte sie der Zwerg.
    «Seht, was uns erwartet.»
    Er führte sie über die Felsplatte zum Eingang des unteren Endes des Schachts. Die Platte wurde rapide steiler und sehr glatt, sodass sie an nichts so sehr erinnerte wie an eine

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